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Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV).

© Michael Kappeler/dpa

Streit um den Verfassungsschutzchef: Wie kommt die Koalition aus der Maaßen-Krise?

Am Dienstag kommen Merkel, Seehofer und Nahles zum zweiten Krisentreffen zusammen. Wer setzt hier wen unter Druck - und was steht auf dem Spiel?

Von Hans Monath

SPD-Vize Ralf Stegner reagierte schnell auf die Nachricht, wonach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschieden habe, den Verfassungsschutzchef fallen zu lassen. „Es ist ein gutes Signal, wenn die Bundeskanzlerin die Haltung der SPD teilt“, sagte Stegner am Montagvormittag. Zwar dauerte es nicht lange, bis Unionskreise dementierten. Doch Stegner kam die Meldung über das Urteil der Regierungschefin gerade recht. Denn sollte Merkel sich tatsächlich öffentlich so positionieren, würde sie die SPD aus einem selbst geschaffenen Dilemma befreien.

Zwar hat sich die SPD-Spitze bisher zurückgehalten und nicht offen mit einem Bruch der Koalition gedroht. Auch sagen führende Sozialdemokraten, sie wollten diese Regierung nicht wegen einer Personalfrage platzen lassen. Doch Parteichefin Andrea Nahles hat dem Druck der verärgerten Basis nachgegeben und unmissverständlich eine Ablösung von Maaßen verlangt.

Manche Genossen halten Nahles’ Vorgehen für nicht durchdacht

Sollten Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) diese Forderung nicht erfüllen, müsste Nahles handeln, wenn sie nicht als unglaubwürdig und durchsetzungsschwach dastehen will. Dann könnte die SPD ihre Spitzenfrau drängen, die Konsequenzen zu ziehen und die Koalition aufzukündigen. Vor allem wegen dieses Szenarios halten manche Genossen Nahles’ Vorgehen für nicht durchdacht und zu risikoreich. Sie fürchten, dass eine Dynamik entstehen kann, die am Ende nicht mehr kontrollierbar ist.

Doch der Ärger über das Verhalten von Seehofer sitzt tief. Denn der Dauerstreit – erst über Grenzfragen und nun über die Bewertung der Ereignisse von Chemnitz und die Eignung von Maaßen – verdrängt SPD-Themen wie Mieten, sozialer Arbeitsmarkt oder Rente aus der Wahrnehmung. Deshalb warnen nicht nur Parteilinke, sondern auch pragmatische SPD- Politiker wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil oder Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider, wenn der Streit zwischen Merkel und Seehofer andauere und es bei SPD-Themen keinen Fortschritt gebe, sei die Zukunft der Koalition gefährdet. Die Mahnungen lesen sich wie ein Appell an den Koalitionspartner, endlich das verminte Terrain der Flüchtlings- und Migrationspolitik zu verlassen, und sich den eigentlichen Aufgaben der Koalition zuzuwenden.

Merkel könnte Seehofer zwingen, Maaßen zu entlassen

Zwar ist über das erste Treffen von Merkel, Seehofer und Nahles zum Fall Maaßen bislang nichts bekannt geworden, da striktes Stillschweigen vereinbart wurde. Führende Sozialdemokraten sind aber überzeugt, dass Merkel Maaßen loswerden will. Der Geheimdienstmann hatte ihr in der Einschätzung der Ausschreitungen von Chemnitz offen widersprochen und damit ihre Autorität beschädigt. Auch die Aussagen Merkels in Vilnius, die Koalition werde nicht am Streit über Maaßen zerbrechen, werten SPD-Politiker als Indiz dafür, dass die Kanzlerin ihren Kritiker an der Spitze des Verfassungsschutzes nicht mehr für tragbar hält.

Entlassen kann die Kanzlerin Maaßen nicht – das könnte nur sein Dienstherr Seehofer. Nur mit Bezug auf ihre Richtlinienkompetenz könnte Merkel den Minister zwingen, Maaßen zu entlassen – das aber wiederum dürfte die CSU einen Monat vor der Landtagswahl in Bayern als offene Kampfansage durch die Chefin der Schwesterpartei empfinden.

Seehofer hatte vergangene Woche auffällig hart über die AfD geurteilt – ein Zeichen dafür, dass er Lehren aus dem Streit um die Grenzen gezogen hat und wieder die politische Mitte sucht. Nach harten Tönen und Angriffen gegen die Kanzlerin hatte die CSU in Umfragen deutlich nachgegeben. Deshalb kann auch der CSU-Chef wenig Interesse daran haben, den Streit um Maaßen fortzusetzen. Für den Fall, dass er den Verfassungsschützer nicht in den Ruhestand schicken will, könnte er für ihn eine andere Verwendung suchen – und so auch das eigene Gesicht wahren.

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