Streit um das „generische Maskulinum“: Verfassungsgericht weist Beschwerde auf geschlechtergerechte Anrede ab
Marlies Krämer bleibt für ihre Sparkasse weiterhin ein „Kontoinhaber“. Doch in Karlsruhe zeigt man Verständnis für ihr Anliegen
Die Frauenrechtlerin Marlies Krämer ist mit ihrem Vorhaben gescheitert, ihre Sparkasse per Gerichtsurteil zu einer geschlechtergerechten Ansprache in Formularen zu verpflichten. Mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss wies das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde Krämers wegen unzureichender Begründung zurück (Az.: 1 BvR 1074/18).
Krämer wandte sich damit gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2018, der ihr Anliegen ebenfalls abgelehnt hatte (Az.: VI ZR 143/17). Sie wollte erreichen, dass ihre Sparkasse in ihren Vordrucken den Begriff „Kontoinhaberin“ aufnimmt statt das angeblich alle Geschlechter umfassende „generische Maskulinum“, also die männliche Bezeichnung „Kontoinhaber“.
In Karlsruhe sieht man eine Reihe ungeklärter Fragen
Anders noch als der BGH lässt das Verfassungsgericht jetzt Sympathie dafür erkennen, sich bei Gelegenheit dem Thema inhaltlich – und mit einem möglicherweise anderen Ergebnis – zuwenden zu wollen: „Wäre über die Verfassungsbeschwerde in der Sache zu entscheiden, führte dies zu ungeklärten Fragen der Grundrechtsrelevanz der tradierten Verwendung des generischen Maskulinums sowie zu Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung von Gleichstellungsgesetzen, die die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache vorschreiben“, heißt es zumindest in der gerichtlichen Pressemitteilung. Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass das Grundgesetz eine Abschaffung des „generischen Maskulinums“ auch im privaten Rechtsverkehr verlangt.
Der Beschluss selbst verhält sich gegenüber diesem Anliegen zurückhaltender. Die mit drei Richtern besetzte 2. Kammer des Ersten Senats wies auf fundamentale Mängel in der Verfassungsbeschwerde Krämers hin. Diese setzte sich nicht mit der Begründung des BGH auseinander, dass auch das Grundgesetz (GG) selbst das „generische Maskulinum“ verwende – „ungeachtet der Frage, wieweit diese Argumentation im Ergebnis trägt“.
Das Grundgesetz benutzt selbst die männliche Form
Der BGH war in seinen Urteilsgründen noch strikt: Das „generische Maskulinum“ gehöre zum allgemeinen Sprachgebrauch und sei keine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, meinten die Richter. Eine Geringschätzung von Frauen gegenüber Männern werde dadurch nicht zum Ausdruck gebracht, weshalb auch der Gleichheitsartikel des GG hier keine Rolle spiele. Zudem verwende das Grundgesetz selbst vielfach allein die männliche Form. Hierzu verwies der BGH unter anderem auf Artikel 40 GG, wonach der Bundestag sich „seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer“ wählt.
Die über 80 Jahre alte Klägerin, eine früher aktive Kommunalpolitikerin für die SPD und später für die Linke, hat damit ein über vier Jahre geführtes Verfahren endgültig verloren. Dafür war sie in der Vergangenheit auf ähnlichen Feldern erfolgreich. So konnte Krämer in den neunziger Jahren vor Gericht durchsetzen, dass auch Reisepässe eine „Inhaberin“ haben dürfen. Später startete sie eine Initiative, Tief- und Hochdruckgebiete in der Wettervorhersage abwechselnd mit Männer- und Frauennamen zu kennzeichnen. Vorher war es gängige Praxis, dass die Hochs nach Herren und die Tiefs nach Damen benannt wurden. Zudem wird das „generische Maskulinum“ sowohl im Sprachgebrauch wie Formularen seltener. Es könnte also sein, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema gar nicht erneut befassen muss.
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