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Osman Kavalas

© AFP

Streit um Aktivisten Kavala: Türkei lädt zehn europäische Botschafter vor

Zehn Länder forderten die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala, doch Präsident Erdoğan gibt nicht nach.

Probleme mit dem Westen hat die Türkei häufig, doch was sich am Dienstag in Ankara abspielte, gab es noch nie: Das türkische Außenministerium bestellte die Botschafter zehn westlicher Staaten ein – darunter Deutschland, Frankreich und die USA – und verwarnte sie. Innenminister Süleyman Soylu und Justizminister Abdulhamit Gül sekundierten dem Außenamt und warfen dem Westen inakzeptables Verhalten vor. Die Botschafter hatten in einer gemeinsamen Erklärung die Freilassung eines prominenten Kritikers von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verlangt.

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Osman Kavala heißt der Mann, um den es geht. Der heute 64-jährige Kulturförderer und Partner westlicher Institutionen sitzt seit vier Jahren im Gefängnis. Erdogan und die Justiz werfen ihm vor, an den Gezi-Protesten des Jahres 2013 und dem Putschversuch von 2016 beteiligt gewesen zu sein. Da es keine Beweise dafür gibt, wird Kavala mit immer neuen Vorwürfen und Verfahren in Haft gehalten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat seine Freilassung angeordnet. Doch obwohl sich die Türkei als Mitglied des Europarats an die Weisungen der Richter halten muss, bleibt Kavala in Haft.

Ein Gegner des Präsidialsystems

Die westlichen Botschafter veröffentlichten ihre Erklärung aus Anlass des vierten Jahrestags von Kavalas Festnahme am 18. Oktober 2017. Der Umgang der Türkei mit Kavala widerspreche „dem Respekt vor der Demokratie, dem Rechtsstaat und der Transparenz“, kritisierten die Diplomaten. Die Türkei solle Kavala so schnell wie möglich freilassen. Hinter der Erklärung standen die Vertreter von Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und den USA.

Innenminister Soylu wies die Initiative mit den Worten zurück, die Türkei sei kein „Nomadenstaat“, dem das Ausland Befehle geben könne. Für Erdogan und seine Regierung ist Kavala ein rotes Tuch. Die Angst des Präsidenten vor Kavala habe tiefe Wurzeln, erklärt der Journalist Murat Yetkin: Kavala war ein entschiedener Gegner des Präsidialsystems, das Erdogan im Jahr 2017 durchsetzte. Schon im Jahr 2013 kam ihm demnach zu Ohren, dass Kavala das Präsidialsystem als möglichen Anfang eines totalitären Staates ablehnte. Wenig später unterstützte Kavala die Gezi-Proteste gegen die Regierung – und zementierte damit Erdogans Befürchtung, dass Kavala den Umsturz plane.

Das Menschenrechtsgericht in Straßburg wirft der türkischen Justiz vor, Kavala ohne Rechtsgrundlage hinter Gitter zu halten, und hat Ankara angewiesen, ihn freizulassen. Weil die Türkei die Anordnung ignoriert, droht der Europarat inzwischen mit dem Rauswurf der Türkei. Bei einem Ministertreffen Ende November soll das Ausschlussverfahren in Gang gesetzt werden, wenn Kavala bis dahin nicht frei ist. Der Prozess gegen ihn wird am 26. November fortgesetzt.

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