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Streit um Agenda 2010: ''Becks Vorschlag ist nicht sozial''

SPD-Netzwerksprecherin Nina Hauer über den Plan, das Arbeitslosengeld I wieder länger zu zahlen.

Frau Hauer, warum sind Sie dagegen, das Arbeitslosengeld I an Ältere wieder länger zu zahlen, wie es Ihr Parteivorsitzender Kurt Beck und mit ihm nahezu alle SPD-Landesverbände fordern?

Ich kann Kurt Beck an diesem Punkt nicht folgen, weil sein Vorschlag weder sozial noch gerecht ist.

Was ist ungerecht daran, wenn diejenigen, die in der Regel länger gearbeitet und damit auch mehr Beiträge geleistet haben, das Arbeitslosengeld I auch länger erhalten?

Das Konzept des DGB, das Kurt Beck übernommen hat, birgt die große Gefahr, dass die Älteren auf dem Arbeitsmarkt wieder benachteiligt werden. Wenn der Vorschlag umgesetzt wird, riskieren wir die Rückkehr der Missstände, die vor der Agenda 2010 auf dem Arbeitsmarkt Deutschland geherrscht haben. Damals haben die Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung die Frühverrentungsprogramme der Konzerne finanziert. Das können wir nicht wieder wollen.

Kurt Beck sagt, es gehe darum, die Lebensleistung Älterer anzuerkennen.

Wenn wir der Lebensleistung der Älteren Respekt verschaffen wollen, dann dürfen wir es für Unternehmen nicht attraktiv machen, sie in die Frühverrentung abzuschieben. Mit den langen Arbeitslosengeldzahlungen vor der Agenda 2010 wurde die Benachteiligung der Älteren auf dem Arbeitsmarkt doch erst geschaffen.

Bricht Becks Vorschlag mit dem Geist der Agenda 2010?

Auch ich bin dafür, die Agenda 2010 weiterzuentwickeln, anstatt dauernd zurückzublicken. Es geht mir aber darum, dass wir dabei nicht von unserem Ziel abweichen, anstelle von Arbeitslosigkeit Arbeit zu finanzieren. Diesen Weg haben wir mit der Agenda beschritten, und auf diesem Weg müssen wir vorangehen, nicht zurück. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I wäre zweifellos ein Rückschritt.

Was wäre denn ein Fortschritt?

Wir sollten die Mittel, die längere Arbeitslosengeldzahlungen kosten würden, besser für andere Maßnahmen verwenden – zum Beispiel für eine stärkere Unterstützung von Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen. Oder für ein Rückkehrprogramm für ältere Frauen, die wegen ihrer Kinder lange Zeit nicht arbeiten konnten. Auch Hilfs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen wären notwendig. Für all das wird das Geld des Sozialstaates gebraucht.

Wie erklären Sie sich, dass Vizekanzler Franz Müntefering mit seinem Widerstand gegen Becks Vorhaben alleine dasteht und ihm kaum ein Sozialdemokrat öffentlich beispringt?

Das liegt daran, dass viele in der SPD innerparteiliche Auseinandersetzungen lieber intern führen. Ich zähle normalerweise auch dazu. In diesem Fall hat die Parteispitze die öffentliche Debatte selbst begonnen. Wenn am Dienstag die SPD-Bundestagsfraktion zusammenkommt, werden wir die interne Debatte nachholen. Ich werde meine Position einbringen.

Beck will den SPD-Bundesparteitag Ende Oktober über längere Arbeitslosengeldzahlungen entscheiden lassen, wobei er mit einer sicheren Mehrheit rechnen kann. Glauben Sie, dass Franz Müntefering sich das gefallen lassen wird, oder befürchten Sie seinen Rücktritt?

Ich denke, es wird auf dem Parteitag eine breite Debatte geben, an der sich alle beteiligen können. Danach werden die Delegierten entscheiden. Deswegen muss niemand zurücktreten, schon gar nicht der Vizekanzler.

Frau Hauer, trügt der Eindruck, dass Kurt Beck die SPD wieder stärker nach links führt?

Das sehe ich nicht so, und das wäre auch falsch. Der vorsorgende Sozialstaat muss das Leitbild für eine linke. moderne Volkspartei sein. Wenn man sich unseren Entwurf für das Grundsatzprogramm ansieht,erkennt man, dass die SPD mit Kurt Beck nach vorne geht.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger.

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