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Ein Porsche Macan fährt am Bundeskanzleramt vorbei.

© Kay Nietfeld/dpa

Streit über Verkehr: Wie der SUV-Unfall in Berlin-Mitte instrumentalisiert wird

Nach dem Berliner SUV-Unfall wird die Neuausrichtung der Verkehrspolitik gefordert. Dabei wäre eine Welt ohne SUV männlicher und weniger sicherer. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Martenstein

Ist es nicht unglaublich, wie ratzfatz Anti-SUV-Talkshows und Anti-SUV-Titelgeschichten in den letzten Tagen rausgehauen wurden, von „taz“ über „Spiegel“ bis Maybrit Illner?

Verdammt will ich sein, wenn die nicht schon längst fertig waren, zumindest im Kopf, und nur noch auf einen Anlass gewartet haben. Dieser Anlass bestand aus einem grauenhaften Unfall in Berlin, bei dem allerdings immer noch nicht ganz klar ist, was da überhaupt passierte, ich meine, genau.

Wäre dieser Unfall ganz anders verlaufen, wenn der Fahrer nicht am Steuer eines Porsche Macan, sondern eines Kleintransporters mit Elektromotor gesessen hätte? Ich fürchte, da konnte die Faktenfindung mit dem Tempo der medialen Meinungsbildung mal wieder nicht ganz mithalten.

SUV sind übrigens bei Frauen sehr beliebt. Sie gelten auch als besonders sicher. Der Überblick über das Verkehrsgeschehen ist besser. Wer gegen einen Baum fährt, hat im SUV bessere Überlebenschancen. Eine Welt ohne SUV wäre eine männlichere und eine weniger sichere Welt. Echte Machos fahren heute Rennrad. Nicht, dass ich Rennräder aus der Innenstadt verbannen wollte!

Das Wort „Instrumentalisierung“ hat in den letzten Jahren eine ähnlich spektakuläre Karriere hingelegt wie „Populismus“. Instrumentalisierung bedeutet, dass jemand die von einem traurigen Ereignis erzeugte emotionale Wärme dazu benutzt, sein politisches Süppchen zu erhitzen. Ich finde das gar nicht grundsätzlich verwerflich – nichts spricht dagegen, aus Ereignissen Lehren zu ziehen. Lernverbote lehne ich ab.

Instrumentalisierungen gelten als verwerflich

Bei der Instrumentalisierung gilt allerdings hierzulande die Grundregel, dass Instrumentalisierungen durch den politischen Gegner immer als verwerflich gelten, während Instrumentalisierungen durch das eigene politische Lager als völlig okay gelten. Es handele sich dabei, heißt es, um das legitime Bemühen, eine Wiederholung dieses schrecklichen Ereignisses zu verhindern.

Wenn allerdings nach einem Anschlag mit vielen Toten ein rechter Politiker einen Zusammenhang zwischen diesem Anschlag und einer allzu sorglosen Einwanderungspolitik behauptet, dann ist dies pietätlos und amoralisch. Außerdem handele es sich um einen Einzelfall.

Aber nach einem Autounfall mit mehreren Toten wird sofort eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik gefordert.

Aber, wie gesagt, es ist ja richtig, aus Ereignissen Schlüsse zu ziehen. Auch diejenigen, die den Anschlag vom Breitscheidplatz für uninstrumentalisierbar erklärt haben, zogen Schlüsse. Man denke an die Betonblöcke, die seitdem jedes Volksfest vor Einzelfällen schützen. Wer im Straßenverkehr Leben retten will, könnte zum Beispiel Fahrtüchtigkeitsprüfungen für alte Menschen einführen. Gesund sollten Fahrende schon sein.

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