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Der gläserne Passagier. Die USA können Datensätze mit insgesamt 19 Merkmalen abrufen – und bis zu 15 Jahre lang speichern.Foto: Julian Stratenschulte/pa/dpa

© picture alliance / dpa

Politik: Straßburg billigt umstrittenes Flugdatenabkommen

Parlament setzt sich über Datenschutz-Bedenken hinweg / Abgeordnete fürchten anlasslose Rasterfahndung in den USA.

So weit wie die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hat nach der Zustimmung des Europaparlaments zum überarbeiteten Fluggastdatenabkommen kein anderer gehen wollen. Es sei etwas, worauf „die drei EU-Institutionen stolz sein können“. Selbst die eifrigsten Befürworter eines starken Fahndungsinstruments im Anti-Terror-Kampf wie der britische Konservative Timothy Kirkhope mussten in einer hitzigen Debatte im Straßburger Plenum zugeben, dass „dies kein perfektes Abkommen ist“. Als ausgewiesener Gegner beschuldigte der deutsche Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht Konservative und Teile der Sozialdemokratie, die eine deutliche Mehrheit für die Vereinbarung herstellten, des Rechtsbruchs: „Schämen Sie sich!“

Mit der Abstimmung am Donnerstag ging ein langjähriger Konflikt vorläufig zu Ende. Bereits 2004 wurde vom Europaparlament ein erstes Abkommen zwischen den USA und der EU über die Art und Weise wie Daten von Flugreisenden in die USA erfasst, ausgewertet und gespeichert werden an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, der eine Neuverhandlung erzwang. Auch den daraufhin 2007 ausgehandelten Text nahmen die Abgeordneten nicht an. Mit dem Ja vom Donnerstag tritt nun am 1. Mai erstmals ein rechtsverbindliches Abkommen in Kraft – die beiden Vorläufer wurden nur vorläufig angewendet und umgesetzt.

Im Lager der Befürworter, zu dem am Ende 409 von 736 Abgeordneten zählten, wurden zahlreiche Verbesserungen betont, die Malmström in den Verhandlungen erreicht habe. Das sind die von US-Seite zugestandene Überprüfung der gegenwärtigen Datensammelpraxis nach vier Jahren und die Tatsache, dass US-Behörden wie der Geheimdienst CIA sich künftig nicht mehr einfach bei den Fluggesellschaften bedienen können, sondern die Daten von diesen aktiv übermittelt werden müssen. Im Fachjargon spricht man von der Push- und der Pull-Methode. Ob die weiteren Veränderungen Verbesserungen darstellen, ist dagegen hoch umstritten.

So beim Anwendungsbereich des Abkommens: Die Datensätze mit insgesamt 19 Merkmalen werden künftig gespeichert im Zusammenhang mit terroristischen, den Terror unterstützenden Vergehen und „sonstiger Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von drei oder mehr Jahren geahndet werden können und grenzübergreifender Art sind“. Bisher filtern die US-Behörden nach EU-Angaben auch Passagiere heraus, die mit einer Tat in Verbindung gebracht werden, auf die eine Haftstrafe von nur einem Jahr steht. Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel macht darauf aufmerksam, dass in den USA bereits für geringfügige Straftaten mehrjährige Haftstrafen drohen und auch das Kriterium einer grenzüberschreitenden Tat keine Einschränkung darstelle, da jeder EU-Bürger ein Rückreiseticket besitze. So könne „fast jeder Grund als Rechtfertigung für die Sammlung von Fluggastdaten herhalten“. Es werde nur „die bestehende Praxis legalisiert“. Mehrere Abgeordnete warfen den USA die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen und anlasslose Rasterfahndung vor.

Die maximale Speicherdauer beträgt nur dann weiter 15 Jahre, wenn es um Terror geht – sonst zehn. Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte die Fristen in seiner Stellungnahme als „eindeutig unverhältnismäßig“ bewertet. Auch das Europaparlament selbst hatte 2010 zur Bedingung für seine Zustimmung gemacht, die Verwendung der Fluggastinformationen müsse „den europäischen Datenschutznormen entsprechen, insbesondere mit Blick auf die Zweckbeschränkung, die Verhältnismäßigkeit, die Rechtsmittel, die Beschränkung des Umfangs der zu erfassenden Daten sowie die Dauer der Speicherung“. Der Grüne Albrecht, der nun eine langwierige Individualklage bis hin zum Europäischen Gerichtshof erwägt, sagte dem Tagesspiegel: „Alle diese roten Linien sind überschritten worden.“

Der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, Fraktionsvize der Europäischen Volkspartei, verteidigte deren Abstimmungsverhalten: Zwar sei es negativ, dass „die Amerikaner nicht bereit waren, bei den Klagemöglichkeiten nachzugeben“, doch habe jedes Land das Recht, Daten über ankommende Passagiere zu sammeln. „Das ist ein anderer Sachverhalt als bei Swift.“ Bei diesem Abkommen, das die Weitergabe von Daten europäischer Bankkunden an die US-Behörden regelt, hatte das Europaparlament mit den Stimmen der Konservativen eine Neuverhandlung erzwungen.

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