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Die Gefolgsleute des Angeklagten verwüsteten vom 30. Juni bis zum 11. Juli 2012 einen Teil der Welterbestätten.

© AFP

Strafgerichtshof in Den Haag: Prozess gegen Islamist wegen Zerstörung von Kulturerbe in Timbuktu

Am Internationalen Strafgerichtshof beginnt am Montag der erste Prozess wegen Zerstörung von Kulturerbe – den Mausoleen von Timbuktu. Angeklagt ist ein Islamist.

Für den Internationalen Strafgerichtshof ist es eine historische Premiere. Zum ersten Mal steht ein mutmaßlicher Dschihadist vor den Richtern in Den Haag, ein Anführer der mit Al Qaida verbündeten Rebellengruppe Ansar Dine (Verfechter des Glaubens). Und es ist das erste Verfahren zur Zerstörung von Unesco-Weltkulturerbe – auch das ist ein Kriegsverbrechen.

Mit Schaufeln und Äxten hatten Islamisten vor vier Jahren das jahrhundertealte Kulturerbe von Timbuktu kaputtgeschlagen. In Timbuktu im Norden Malis zerstörten Extremisten von Ansar Dine jahrhundertealte Heiligtümer. Ein Aufschrei ging durch die Welt, ähnlich wie im vergangenen Jahr bei den Zerstörungen in der syrischen Oasenstadt Palmyra durch Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).

Die Anklage will mit dem heute beginnenden Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher Ahmad al Faqi al Mahdi ein Zeichen setzen. „Hier geht es nicht nur um Mauern und Steine“, erklärte Chefanklägerin Fatou Bensouda. „Es geht um einen eiskalten Anschlag auf die Würde und Identität der Bevölkerung und ihre religiösen und historischen Wurzeln.“ Mahdi habe ganz bewusst „leichte Ziele mit religiösem und historischem Charakter“ ausgewählt, so der Vorwurf. Ziel der Verwüstungen sei es auch gewesen, die Menschen in der Region zu schockieren.

Das von Tuareg-Völkern gegründete Timbuktu am Niger-Fluss war im 15. und 16. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum für Handel, Wissenschaft und Religion und spielte eine große Rolle bei der Verbreitung des Islams in Afrika. Die Oasenstadt, auch als „Perle der Wüste“ und „Stadt der 333 Heiligen“ bekannt, diente lange als Bindeglied zwischen dem Mittelmeerraum und Westafrika.

Angeklagt ist der mutmaßliche Drahtzieher Ahmad al Faqi al Mahdi

Mahdi, auch als Abu Tourab bekannt, hatte die Sittenpolizei in Timbuktu angeführt. Er wachte über die Einhaltung der von Ansar Dine äußerst streng ausgelegten Regeln des Islam. Danach ist eine Heiligenverehrung, wie sie in Timbuktu seit Jahrhunderten praktiziert wird, verboten. Die Gefolgsleute Mahdis zerstörten vom 30. Juni bis zum 11. Juli 2012 einen Teil der Welterbestätten.

Die in den Mausoleen der Stadt begrabenen islamischen Geistlichen werden als Schutzheilige verehrt und bei wichtigen Ereignissen wie Hochzeiten oder bei Problemen wie Hungersnöten angebetet. Diese Rituale setzten die Bürger auch fort, nachdem Ansar Dine im April 2012 die Kontrolle über ihre Stadt übernommen hatte. Aus Ärger über das Nichtbefolgen der Scharia ordnete Mahdi Ende Juni 2012 den Angriff auf heiligen Stätten an. Neun Mausoleen sowie ein Teil der Sidi-Yahia-Moschee wurden zerstört.

Mahdi wurde 1975 rund 100 Kilometer von Timbuktu entfernt in Agoune geboren. Schon als Junge lernte der Angehörige des Tuareg-Volkes äußerst gewissenhaft den Koran. Schon vor der Eroberung Timbuktus durch Ansar Dine wachte der ausgebildete Lehrer und Religionsgelehrte in der Stadt über die strenge Einhaltung religiöser Sitten. Den neuen Machthabern näherte er sich rasch an und wurde ihr Chefideologe.

Er will sich im Prozess schuldig bekennen, wie sein Anwalt Mohamed Aouini sagt. Mahdi sei „ein Muslim, der an die Justiz glaubt“. Außerdem wolle er sich „bei den Bewohnern Timbuktus und dem malischen Volk entschuldigen“. Bei einem Geständnis könnte der Prozess schon in einer Woche beendet werden. Das wäre für das Gericht, das wegen seiner schleppenden, oft jahrelangen Prozesse in der Kritik ist, endlich mal eine positive Nachricht.

Für die Unesco ist der Prozess ein wichtiger Präzedenzfall

Für die UN-Kulturorganisation Unesco ist der Prozess ein wichtiger Präzedenzfall – ein Zeichen, dass die Weltgemeinschaft gegenüber den Zerstörungen nicht völlig ohnmächtig ist. „Dies ist ein nachhallendes Signal gegen Straffreiheit, auch mit Blick auf Syrien und den Irak“, sagte Unesco-Chefin Irina Bokowa im Juni bei einem Besuch in Den Haag.

Die Bulgarin Bokowa, die sich derzeit um die Nachfolge von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bewirbt, hat in den vergangenen Jahren immer wieder für den Kampf gegen die Zerstörung von Welterbestätten in Konfliktgebieten geworben. Sie verurteilt die Angriffe als Teil einer Strategie der „kulturellen Säuberung“. „Die vorsätzliche Zerstörung von Welterbe ist ein Kriegsverbrechen, das als Kriegstaktik eingesetzt wird, um Furcht und Hass zu verbreiten.“ Bokowa sagt: „Die Zerstörung von Erbe ist nicht zu trennen von der Verfolgung von Menschen.“

Die Mausoleen sind wieder aufgebaut - und werden von Blauhelmen bewacht.
Die Mausoleen sind wieder aufgebaut - und werden von Blauhelmen bewacht.

© AFP

Die Mausoleen stehen heute wieder. Frankreich schickte Anfang 2013 auf Bitte der malischen Regierung Truppen, die die Islamisten zurückdrängten – auch wenn im Norden weiterhin Terrorgruppen aktiv sind. Inzwischen bemühen sich die Vereinten Nationen um eine Stabilisierung der Lage. Im Rahmen der UN-Mission sind unter anderem auch 300 Soldaten der Bundeswehr in der nördlichen Stadt Gao stationiert. Die Heiligengräber wurden mit einem Unesco-Programm wieder aufgebaut, auch mit finanzieller Hilfe der EU. Kurz vor der Fertigstellung 2015 sagte die Vorsitzende des Welterbekomitees, Maria Böhmer: „In einer Zeit, wo Welterbe von bewaffneten Gruppen angegriffen wird, gibt der Wiederaufbau der Mausoleen von Timbuktu uns Anlass zu Optimismus.“ (dpa/AFP/KNA)

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