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Wladimir Selenski liegt im Rennen um die Präsidentschaft der Ukraine klar vorn.

© Genya Savilov,AFP

Stichwahl entscheidet über Präsidenten der Ukraine: Komiker gegen Schoko-Oligarchen

Der Polit-Neuling Selenski und Amtsinhaber Poroschenko stehen sich am Ostersonntag in der Stichwahl gegenüber.

Sie sei zunächst kategorisch dagegen gewesen, dass ihr Mann Präsident werden wolle, hat Olena Selenska vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine einer Kiewer Zeitung gesagt. Das Amt des ukrainischen Staatsoberhauptes würde viel zu große Veränderungen für ihre Familie bedeuten, zu der zwei Söhne gehören. Als First Lady sehe sie sich noch lange nicht.

Das war ein wenig kokett, denn ihr Eheman, Wladimir Selenski, führte da in den Umfragen schon überzeugend.

Der Amtsinhaber muss einen Rückstand aufholen

Am Montag waren drei Viertel der Stimmen ausgezählt, und dann stand fest: Es wird einen zweiten Wahlgang geben, und Olena Selenska muss dem Gedanken an eine Zukunft im Präsidentenpalast zumindest näher treten. Selenski, Schauspieler ohne politische Erfahrung, der den Präsidenten bisher nur im Fernsehen spielt, hat die erste Runde der ukrainischen Präsidentenwahl mit großem Vorsprung gewonnen. Komödiant gegen Schokoladen-Oligarch, so lautet nun in drei Wochen am Ostersonntag das Duell in der zweiten Runde. Die Stimmung der alten politischen Eliten und vieler westlicher Diplomaten in Kiew schwankt zwischen Verwirrung und Entsetzen.

Der Süßwarenproduzent und Amtsinhaber Petro Poroschenko hat nun drei Wochen Zeit, den beträchtlichen Rückstand aufzuholen. Er begann am Montag mit einer Offensive auf Twitter – dort, wo sich vor allem Selenskis Anhänger bewegen. Während der Herausforderer seine Wähler noch immer weitgehend im Unklaren lässt, was er mit dem Präsidentenamt anfangen würde, formulierte Poroschenko zwei klare Ziele. Gleich am Tag seiner Wahl würde er „wichtige Schritte unternehmen“, um den Donbas und die von Russland annektierte Krim zurückzuholen. Und am Ende seiner zweiten Amtszeit würde die Mitgliedschaft der Ukraine in EU und Nato stehen.

Die erste Wahlrunde sei eine „ernste Lektion“ gewesen, die er verstanden haben, versicherte Poroschenko. Er fügte hinzu: „Wir werden der Marionette Kolomoiskis keine Chance lassen.“ Mit Marionette meint der Präsident seinen Herausforderer, und er spielt auf Mutmaßungen an, die im Lande kursieren: Selenski sei zwar ein neues Gesicht auf der politischen Bühne, seine Kandidatur aber eine perfide Täuschung. Im Hintergrund ziehe eine der mächtigsten Figuren der alten politischen Elite die Fäden.

Ein Milliardär im Hintergrund

Der 56-jährige Oleg Kolomoiski ist nicht nur seit Langem ein Erzfeind Poroschenkos, sondern auch reicher als dieser. Sein Vermögen wird aktuell auf anderthalb Milliarden Euro geschätzt, das von Poroschenko liegt unter einer Milliarde. Lange Zeit kontrollierte Kolomoiski mit seiner „Privat Bank“ das ukrainische Finanzsystem. Sein Einfluss ist immer noch groß, obwohl die Regierung vor drei Jahren das Geldinstitut „nationalisierte“. Die ukrainische Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ meint jedoch, das habe Kolomoiski, der die meiste Zeit in Israel lebt, wenig ausgemacht. Seine Manager blieben.

Vor einiger Zeit berichtete die „Ukrainska Prawda“, die ihre Nähe zu Poroschenko kaum verbirgt, von der Verschwörung einiger Oligarchen gegen den Staatschef. Die Männer, die Poroschenko vor fünf Jahren zum Präsidenten machten, seien untereinander spinnefeind, in einem jedoch einig: Sie wollen Poroschenko loswerden, weil er die Erwartungen in neoliberale Wirtschaftsreformen nicht ausreichend erfüllen konnte. Kolomoiski spiele bei dieser Verschwörung eine zentrale Rolle.

Timoschenko macht Probleme

Dass es eine Verbindung zwischen dem Milliardär und Selenski gibt, ist kein Geheimnis. Die Fernsehserie „Diener des Volkes“, in der der Komiker die Hauptrolle spielt, läuft in einem TV-Sender, der Kolomoiski gehört. Beide versichern natürlich, zwischen ihnen gebe es lediglich diese Verbindung. Tatsächlich bekam auch eine Präsidentschaftskandidatin auf Kolomoiskis Kanal viel Sendezeit und positive Berichte: Julia Timoschenko. Die hatte Kolomoiskis Unterstützung in zahlreichen Kampagnen, beide stammen aus der Stahlarbeiterstadt Dnepropetrowsk. Um Poroschenko zu verhindern, fuhr Kolomoiski möglicherweise zweigleisig.

Das könnte schon ein Fingerzeig für den Ausgang der zweiten Abstimmungsrunde sein. Sollte Selenski Timoschenkos Anhänger auf seine Seite ziehen können, wäre dem Komiker der Sieg kaum zu nehmen. Das Problem heißt derzeit aber Julia Timoschenko. Die 58-Jährige, die lange als künftige Präsidentin galt, sperrt sich. Sie weigerte sich am Montag, das Ergebnis anzuerkennen. Sollte sie auch nach Verkündung des offiziellen Ergebnisses den zweiten Wahlgang verfehlen, will sie wegen „Manipulation und Stimmenkauf“ vor Gericht gehen.

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