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In Europa geht es ums Ganze, nicht um Peanuts.

© imago images/Jens Schicke

Steuerpolitik: Das doppelte Spiel der Regierung Merkel

Die Minister Peter Altmaier und Olaf Scholz sabotieren die EU-Steuerpolitik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Dass Politiker große Versprechen machen, die sie nicht einlösen können, ist ein unvermeidliches Übel demokratischer Politik. Mal fehlt es an der Mehrheit, mal reicht die Kassenlage einfach nicht, dann wieder opponieren unerwartet Parteifreunde, ohne deren Unterstützung die nächste Wahl verloren wäre. Solche Unwägbarkeiten müssen die Wähler den Regierenden nachsehen. Nur Autokraten sind dagegen gefeit.

Ganz anders ist das, wenn die Verantwortlichen bewusst ihre Versprechen brechen, indem sie aktiv die erklärten Ziele sabotieren. Und genau das betreibt die Regierung Merkel bei der Steuerpolitik in Europa. Dafür hatten sich die Kanzlerin und ihre Minister für die deutsche Präsidentschaft im Rat der EU Großes vorgenommen.

„Die Steuerlast muss fair und transparent verteilt werden“, schrieben sie in das Programm, das sie für das halbe Jahr ihres Vorsitzes bei Europas Gesetzgeber vorlegten. Dafür versprachen sie, Fortschritte bei der Besteuerung transnationaler Unternehmen und der Finanzbranche zu erzielen.

Die wären auch dringend nötig. Allein die Verschiebung von Unternehmensgewinnen in Steuerfluchtstaaten wie Irland kostet die EU-Länder nach Einschätzung der EU-Kommission bis zu 70 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht fast der Hälfte des ganzen EU-Budgets. Nicht minder ungerecht ist, dass für jeden Brötchenkauf Mehrwertsteuer eingetrieben wird, aber die in Billionen Euro bemessenen Transaktionen der Finanzindustrie noch immer von jeder Umsatzsteuer befreit sind.

Drei Gesetzesvorhaben der EU-Kommission

Um dagegen vorzugehen, hat die EU-Kommission seit 2013 drei Gesetzesvorhaben gestartet: Eine Finanztransaktionssteuer soll die Geldbranche an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen, eine Steuer auf digitale Dienste soll die Vermeidungsstrategien von Google & Co ausbremsen, und ein weiteres Gesetz soll transnationale Unternehmen verpflichten, öffentlich zu berichten, in welchen Ländern sie wie viel Erträge erzielen und wie viel Steuern sie zahlen.

Doch für keines dieser Projekte hat die Bundesregierung ihren Ratsvorsitz genutzt, um sie voranzutreiben. Im Gegenteil, sie hat verhindert, dass sich die zuständigen Gremien überhaupt damit befassten. Da stellt sich Finanzminister Scholz gegen die EU-Steuer für die Digitalkonzerne, weil er das lieber auf globaler Ebene bei der OECD vereinbaren will. Das scheitert jedoch am Widerstand der US-Regierung, folglich müsste die EU es allein durchziehen.

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Aber die Bundesregierung blieb untätig. Bei der Umsatzsteuer für die Finanzindustrie wollen eigentlich zehn EU-Staaten im Rahmen der „verstärkten Zusammenarbeit“ vorangehen, aber die Bundesregierung ließ zwei schon angesetzte Ratstreffen absagen. Und am ärgsten trieb es Wirtschaftsminister Altmaier mit dem geplanten Gesetz zur Steuertransparenz, das „multinationale Unternehmen dazu veranlassen soll, Steuern dort zu zahlen, wo sie Gewinne erzielen“, wie die EU-Kommission schrieb.

Nach vier Jahren zäher Verhandlungen gäbe es jetzt eigentlich eine ausreichende Mehrheit dafür. Doch Altmaier weigerte sich einfach, die Abstimmung auf die Tagesordnung zu setzen, und berief sich auf das längst widerlegte Argument der Lobby, die Berichtspflicht benachteilige deutsche Unternehmen.

Wer derart plump ein doppeltes Spiel betreibt, der sollte sich nicht wundern, wenn die Wähler sich angewidert abwenden.

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