zum Hauptinhalt
Seine Rede zur Deutschen Einheit hinterließ vor allem eines: Enttäuschung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Festakt zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit.

© Soeren Stache/dpa

Steinmeier zur Deutschen Einheit: Was für eine Rede

Fehler und Unterlassungen. Kein Richard von Weizsäcker, kein Johannes Rau hätte eine solche Rede gehalten wie der Bundespräsident. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der 30. Jahrestag der deutschen Einheit – einer zum Feiern. 30 Jahre nach diesem Geschenk der Geschichte. Einerlei, wie man die Einheit und ihren Fortgang im Detail bewerten mag, ist es ein Tag, an dem das Geschaffene und Geschaffte groß gewürdigt werden muss. Das als notwendiger Vorspruch zu einer Betrachtung im Rückblick. Die fällt traurig aus.

Kein Bundespräsident hatte je so viele Redenschreiber wie der amtierende. Und doch war seine Rede missglückt; denn sie war groß nur in der Enttäuschung, die sie hinterließ.

Erstens diese Fehler: So ist da tatsächlich von Friedensabkommen mit Warschau und Moskau zu hören. Abgesehen davon, dass es – wenn – Verträge hätten sein müssen: nein! Sie hätten Reparationsleistungen zur Folge gehabt, die unter allen Umständen vermieden werden sollten und mussten. Es waren vielmehr Gewaltverzichtsabkommen, und die waren umstritten genug.

Genug Rechtsexperten meinten, das halbe Deutschland hätte das gar nicht gekonnt. Man lese nur einmal nach, wie beispielsweise 1970 über das sogenannte Bahr-Papier gestritten wurde, benannt nach Willy Brandts Berater Egon Bahr. Im Präsidialamt sollte es den einen oder anderen geben, der das weiß.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Dann: Kein Hinweis auf die 2+4–Verhandlungen, an deren Ende erst das völkerrechtliche Festschreiben der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze möglich wurde. Aber eben nicht als singulärer, gewissermaßen demonstrativer Akt, sondern als Folge des (grenzgenialen, weil geschichts– und rechtsbewussten) Prozesses zur Absicherung der Einheit.

Steinmeier verliert kein Wort über Helmut Kohl

Dann: Richtigerweise dankt der Bundespräsident den USA dafür, die Einheit mit ermöglicht zu haben. Doch trifft er unvermittelt eine Unterscheidung nach Art der vielkritisierten Identitätspolitik, indem er als deutsches Staatsoberhaupt „diesem“ Amerika, dem dieser Jahre, dankt. Das ist, als suchten wir Deutsche das uns Genehme aus, ja, als dürften wir das. Auch hier: nein.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Dann: Wir Deutsche feiern 30 Jahre Einheit – und der sozialdemokratische Bundespräsident verliert kein Wort, nicht ein einziges, über Helmut Kohl, den Kanzler der Einheit. Weil er was war? Christdemokrat? Man muss Kohl nicht mögen, weiß Gott nicht, um dennoch seinen Beitrag (übrigens damit verbunden: zur europäischen Einigung) und seinen unbestreitbaren geschichtlichen Rang anzuerkennen. Und aus diesem Anlass, wie es sich gehört, zu würdigen. Michail Gorbatschow wurde genannt.

Dann: 30 Jahre danach ein Denkmal für die Bürgerrechtler der DDR anzumahnen, ist wohlfeil. Und rückwärtsgewandt. Wichtiger wäre gewesen, an diesem Tag andere Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Weise dieses Land wirklich das beste Deutschland wird, das es je gab, wie der Präsident fürs heutige feststellte.

Kein Richard von Weizsäcker, kein Johannes Rau hätte eine solche Rede gehalten wie der Bundespräsident, der in diesem geschichtsmächtigen Jahr die Ehre hatte, für uns Deutsche zu sprechen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false