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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstagabend im Jüdischen Museum in Berlin.

© Stephan Pramme

Steinmeier zum Anschlag von Halle: „Ich bin es leid, dass Rechtsextremismus offen das Wort geredet wird“

Bei einer Ehrung im Jüdischen Museum in Berlin findet der Bundespräsident klare Worte zum Terror von Halle. Ausgezeichnet wurde Charlotte Knobloch.

„Mich erfüllt Trauer über die Toten des gestrigen Tages, und mich ergreift Zorn über die nicht enden wollende Dummheit, Feigheit und Brutalität der Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft in unserem Land“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstagabend im gut gesicherten Jüdischen Museum in Berlin beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES).

Doch einen Tag nach dem rechtsextremen Terroranschlag von Halle konnte der Bundespräsident nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. „Ich bin die dumpfe Verachtung leid, die kaum verhohlene Bereitschaft zu Gewalt, das offene Schüren von Hass gegen Minderheiten, gegen demokratische Institutionen in unserem Land“, sagte der Bundespräsident. „Ich bin es leid, dass Rechtsextremismus offen das Wort geredet wird und diese Borniertheit klammheimliche Zustimmung findet. Ich sage es deutlich: Wer dafür auch nur einen Funken Verständnis aufbringt, der macht sich schuldig.“

Steinmeier zeigte sich froh, dass vier Personen, die in der Synagoge in Halle waren, ihre Angst überwunden hätten und zu dieser Feierstunde nach Berlin gekommen seien. Eigentlich war der Bundespräsident gekommen, um die Laudatio auf Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Schirmherrin von ELES, aus Anlass der Verleihung der Ernst Ludwig Ehrlich Medaille für die Wissenschaften und Künste 2019 zu halten.

Sie habe sich verdient um unser Land gemacht, sei immer eine Stimme gegen Ausgrenzung und Vorurteile gewesen und für ein aufgeklärtes Miteinander der Religionen eingetreten. Sie habe stets die Demokratie verteidigt. „Wer heute als Demokrat angegriffen wird, muss sich als Demokrat verteidigen“, sagte Steinmeier. „Lassen Sie uns daher zusammenstehen gegen Hass und Gewalt“.

ELES ist ein Zeichen neuen jüdischen Selbstbewusstseins

Charlotte Knobloch erinnerte vor ihrer Dankesrede daran, dass nur eine „undurchdringliche Tür“ Schlimmeres verhindert habe. Im Hinblick auf die Sicherheit und Normalität jüdischen Lebens bleibe noch viel zu tun, sagte sie. Der Erfolg von ELES mit 800 geförderten Stipendiaten sei Zeichen eines neuen jüdischen Selbstbewusstseins. Es gelte die Vielfalt zu verteidigen, gerade in Zeiten wachsenden Druckes.

Auch der amtierende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster dankte dem Bundespräsidenten für seinen Anruf nach Jom Kipur und den Besuch in Halle bei der jüdischen Gemeinde. „Das war ein wichtiges Zeichen für die Juden in Deutschland“, sagte er. Auf die Frage eines israelischen Reporters bei der Pressekonferenz in Halle, ob man als Jude noch in Deutschland leben könne, habe er erklärt, dass Angst kein Grund sei, das Land zu verlassen. „Ich bin nicht bereit, das mühsam aufgebaute preiszugeben und ich bin nicht bereit, auch nur einen Zentimeter zu weichen“, sagte er unter großem Beifall.

Im Anschluss an den Festakt feierten die Stipendiaten und ihre Gäste dann doch noch den zehnjährigen Geburtstag des Begabtenförderwerks ELES. Der Erfolg von ELES zeigt, dass jüdisches Leben und jüdische Mitsprache in den gesellschaftlichen Debatten der Republik einen Platz hat.

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