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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier pflanzt beim Besuch der deutsch-polnischen-Gärten im Skaryszewski-Park eine Säulen-Hainbuche.

© Jens Büttner/dpa

Steinmeier in Polen: Charmeoffensive beim Nachbarn

Trotz aller Streit-Themen betont der Bundespräsident bei seinem Besuch in Warschau das Wir-Gefühl - und auf kritische Töne gibt es kein Echo.

Es ist der zweite Besuchstag Frank-Walter Steinmeiers als Bundespräsident in Polen. Das Wichtigste ist gesagt und wurde von den Gastgebern dennoch geflissentlich überhört: Dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit etwas mit Souveränität zu tun hätten. Nun besucht der Bundespräsident mit Gattin Elke Büdenbender noch „Polin“, das Jüdische Museum in Warschau. Die beiden ziehen die Besichtigung in die Länge, zwei statt der geplanten einen Stunde nehmen sie sich Zeit. Sie müssten wiederkommen, denn die Zeit hätte ihnen nicht gereicht, sagen sie am Ende der Führung durch den Auschwitz-Überlebenden und oppositionellen Journalisten Marian Turski.

Der symbolisch wichtige Besuch wurde nicht von den polnischen Gastgebern vorgeschlagen, sondern geht auf den expliziten Wunsch Steinmeiers zurück. Vor dem Hintergrund des Streits um das sogenannte Holocaust-Gesetz ist dieser Besuch besonders aufgeladen. In der jüngsten innerpolnischen Auseinandersetzung ist auch das Museum „Polin“ von den Kaczynski-Anhängern zu einem Feindbild erhoben worden. „Polin“ hatte es nämlich gewagt, antisemitische Aussagen von PiS-Mitgliedern anonymisiert in eine Wechselausstellung einfließen zu lassen.

Wichtig war polnischen Regierungskreisen die Tatsache, dass Steinmeier seinen Kranz zuerst am Denkmal für die Gefallenen des Warschauer Aufstands von 1944 niedergelegt hatte und erst am zweiten Besuchstag am Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto ein Jahr zuvor. Die von der PiS beanspruchte Deutungshoheit wurde damit gleichwohl übernommen: Der Aufstand von 1944 sei wichtiger; genauso wie die polnisch-katholischen Opfer wichtiger seien als die polnisch-jüdischen. Willy Brandt sah das 1970 bei seinem Kniefall noch anders.

Überhaupt bemühte sich der deutsche Bundespräsident bei seinem zweiten Warschau-Besuch nach Mai 2017 um gute Stimmung. Die Charmeoffensive sollte Polen als immerhin politisch stabilen EU-Partnerstaat für eine möglichst umfassende Zusammenarbeit auf bilateraler wie europäischer Ebene gewinnen. Dies ist umso nötiger, als sich das deutsch-polnische Verhältnis nach dem Wahlsieg der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) vor bald drei Jahren dramatisch verschlechtert hat.

Doch Warschau kann Berlin weder die „Willkommenspolitik“ noch das angebliche Diktat der EU-weiten Flüchtlingsumverteilung verzeihen. Dazu kommt der Streit um Polens Justizreform, die auf ein Ende der unabhängigen Justiz hinauszulaufen droht, sowie Meinungsverschiedenheiten zum Bau der deutsch-russischen Gaspipeline North Stream 2.

Erinnerung an das "Wunder" der Versöhnung

Steinmeier jedoch sprach in einer Rede aus Anlass des 100. Jahrestages der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit von 1918 vom „Wunder“ der Versöhnung und einem gemeinsamen europäischen „Wir-Gefühl“. Deutschland und Polen seien eben nicht nur Nachbarn, sondern Teil der Europäischen Union, hob der Bundespräsident hervor, bevor er ungewöhnlich deutlich wurde. „Die Souveränität nach außen hat Voraussetzungen im Innern: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, mahnte er. „Souverän sind wir Europäer ja nicht, weil wir uns, wo es gerade passt, willkürlich zusammenraufen, sondern weil wir nach Werten und Regeln handeln, die wir uns selbst gegeben haben.“

Treffen mit NGO-Vertretern in der deutschen Botschaft

Von seinem Gastgeber, dem jungen Staatspräsidenten Andrzej Duda, hörte der Deutsche darauf keine Replik. Duda betonte vor allem die Wichtigkeit des Jahres 1918 für die Polen. Im ganzen Land wird dieses Datums gedacht. Die Tatsache, dass Steinmeier in der deutschen Botschaft am Mittwoch NGO-Vertreter in einem Format traf, wie es eher in Russland oder der Türkei üblich ist, lässt tief blicken. Dennoch betonten deutsche Delegationsteilnehmer im Gespräch vor allem das gute und persönlich enge Verhältnis zwischen den beiden Präsidentenpaaren.

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