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Der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) spricht nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn an der Hebräischen Universität (Hebrew University) zu den Studenten und Gästen der Veranstaltung. Steinmeier besucht als Bundespräsident vom 06. bis zum 09. Mai Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete.

© Jens Büttner/dpa

Steinmeier in Israel: Was der Bundespräsident besser macht als der Außenminister

Der geschickte Umgang mit Konflikten, oder: Wie Frank-Walter Steinmeiers Israel-Reise entgegen vieler Erwartungen ein Erfolg wurde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Zwischen Völkern, deren gemeinsame Geschichte durch Kriege, Verbrechen und Zerstörung geprägt worden ist, kann es Versöhnung und Neubeginn geben. Aber die Ehrlichkeit gebietet eben auch zu begreifen, dass Neues immer nur auf den Trümmern des Alten entsteht, und dass die, die an der Zukunft bauen, dies im Bewusstsein der Vergangenheit tun. Es ist diese Erkenntnis, die die Reise des Bundespräsidenten nach Israel geprägt hat. Die Einsicht, dass man das Jetzt in das Damals einordnen muss, hat den Besuch wider viele Erwartungen zu einem Erfolg gemacht.

Steinmeier verzichtet auf Begegnung mit regierungskritischen NGOs

Es war das erste Mal, dass Frank-Walter Steinmeier als Staatsoberhaupt nach Israel kam, als Außenminister hatte er das Land knapp ein Dutzend Mal besucht. Bei keinem dieser Anlässe hatte es Konflikte gegeben, die auch nur annähernd vergleichbar mit dem gewesen wären, der sich zwischen seinem Amtsnachfolger Sigmar Gabriel und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor wenigen Tagen aufgetan hatte. Netanjahu weigerte sich, Gabriel zu empfangen, weil dieser auch mit zwei regierungskritischen Gruppen zusammentreffen wollte. Gabriel beharrte dennoch auf seinem Vorhaben, die Kanzlerin stützte sein Verhalten im Nachhinein ausdrücklich.

Frank-Walter Steinmeier, der Bundespräsident, verzichtete nun seinerseits auf eine Begegnung mit genau diesen NGOs. Aber er tat es nicht als Zeichen der Schwäche, der Nachgiebigkeit, sondern thematisierte den Vorgang demonstrativ in einer Rede vor israelischen Studenten auf dem Mount Scopus, in der Hebräischen Universität von Jerusalem. Hier sprach er leidenschaftlich über das, was beide Völker verbindet, er erinnerte an das Wunder der deutsch-israelischen Annäherung nach dem Holocaust – und an ein anderes Wunder, das der Demokratie, einer Staatsform, zu der Vielfalt und Vielstimmigkeit gehörten. Und Steinmeier traf sich mit Amoz Oz, dem Schriftsteller, und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft, als wolle er Netanjahu sagen und zeigen, was eben gelebte Demokratie sein sollte.

Netanjahu ist Sigmar Gabriel ähnlicher, als ihm wohl lieb wäre

Benjamin Netanjahu ist Sigmar Gabriel ähnlicher, als ihm wohl lieb wäre, würde er sich darüber Gedanken machen. Frank-Walter Steinmeier hält es da mehr mit Shimon Peres, dem im vergangenen Jahr verstorbenen israelischen Friedensnobelpreisträger, den er in seiner Rede auf dem Scopus-Berg einen „realistischen Visionär“ nannte und damit sich wohl auch selbst ein wenig charakterisierte. Steinmeier deutete an, dass man ihm nach der Kontroverse geraten habe, die Reise gar nicht erst anzutreten – aber das hätte er dann doch nicht als sonderlich mutig empfunden.

Indem er kam, erweckte er eine Weisheit des frommen Rabbi Israel Ben Eliezer zum Leben, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den Begründern eines besonders religiösen Judentums gehörte. Dessen Satz „Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung“ ist heute in einer Wand der Holocaust-Erinnerungsstätte Yad Vashem eingraviert und steht auf allen Urkunden, mit denen der Staat Israel Menschen auszeichnet. Menschen, die sich als „Gerechte unter den Völkern“ während der NS-Zeit für jüdisches Leben eingesetzt hatten.

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