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Ein schöner Traum platzt: Der Krieg in der Ukraine stellt die Konzepte für die Energiewende in Frage.

© picture alliance/dpa

Steigende Gaspreise und Kriegsgefahr: Wenn die Wunschwelt der Energiewende auf die Realität trifft

Äußere Störfaktoren sind beim grünen Umbau der Wirtschaft offensichtlich nicht vorgesehen. Nun entlarven Putin und die Märkte die Ampel-Pläne. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die deutsche Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik sind in einer schweren Krise. Die Preise für Heizung und Mobilität steigen orbitant und werden zu einem sozialpolitischen Problem. Die Versorgung mit preiswertem russischem Gas, das als Übergangstechnologie ins Zeitalter der erneuerbaren Energien fest eingeplant war, könnte ausfallen, wenn der Krieg in der Ukraine eskaliert.

Mit jedem Tag wird klarer: Die Störfaktoren treffen die Planer und Regierungspolitiker unvorbereitet. Sie haben keine Antworten, was jetzt zu tun ist.

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Da drängen sich Fragen auf: Wie praxistauglich sind die Konzepte und Kalkulationen überhaupt? Wurden sie unter idealen Laborbedingungen geplant, ohne Rücksicht darauf, dass sich wichtige Aspekte dem deutschen Einfluss entziehen und äußere Schocks die Überlegungen über den Haufen werfen können?

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Eine realistische Risikofolgenabschätzung, die bei weit reichenden Gesetzen vorgeschrieben ist, ist hier offenbar ausgeblieben. An vielen Ecken und Enden bricht die harte Realität in die Wunschwelt herein.

Viele EU-Länder senken Energiesteuern. Die Ampel nicht

Die Verbraucher sollten mit politisch dosierten Marktmechanismen wie steigenden Kosten für Verschmutzungsrechte dazu gebracht werden, sich von fossilen Energieträgern zu verabschieden und generell weniger zu verbrauchen. Nun lässt der reale Markt die Preise schneller steigen als vorgesehen.

Hohe Kraftstoffpreise lösen Proteste in mehreren EU-Staaten aus.
Hohe Kraftstoffpreise lösen Proteste in mehreren EU-Staaten aus.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Und wo sind die Konzepte, wie Politik gegensteuert und den Anstieg moderiert, um den Rückhalt der Bürger für die übergeordneten Ziele nicht zu verlieren? Die Mehrheit der EU-Länder reagiert mit Senkung der Energiesteuern. Die deutsche Politik nicht.

Wie schwer sie sich tut, auf veränderte Prioritäten zu reagieren, hat der Umgang mit Atom und Kohle gezeigt. Seit Jahren weiß man, dass der Kohleausstieg wegen der Klimaziele dringender ist. Der Atomausstieg war aber ein lang betriebenes Generationenprojekt. Insbesondere den Grünen fehlte die Kraft, die Reihenfolge umzudrehen.

Was hat Vorrang: Frieden oder der planmäßige Atomausstieg?

Lieber die Augen verschließen, als Wünsche und Zielkonflikte neu zu denken: Der Devise folgt die Ampel auch im Ukrainekonflikt. Wegen der Versorgungssicherheit müsste sie sich um alternative Gasquellen kümmern. Ebenso wegen der Friedenssicherung. Wenn Wladimir Putin sieht, dass er Deutschland und Europa mit einem Lieferstopp nicht erpressen kann, sich aus der Ukraine herauszuhalten, ändert das sein Kalkül von Kosten und Nutzen.

Gewiss, Gas aus anderen Quellen ist teurer. Aber darf das für friedensbewegte Bürger und Parteien wichtiger sein als Kriegsprävention?

Man muss auch fragen: Soll Deutschland im Notfall die Laufzeit einiger Atom- und Kohlekraftwerke um ein, zwei Jahre verlängern, wenn das hilft, die Abhängigkeit von Putin und die Kriegsgefahr zu verringern? Was hat Vorrang: Frieden in Europa oder der planmäßige Ausstieg aus Kohle und Atom?

Es gibt nicht nur die eine richtige Antwort auf solche Fragen. Erschreckend ist vielmehr, dass die Politik sie nicht stellt und sie folglich nicht breit diskutiert werden.

Regierung und Gesellschaft wirken wie in Schockstarre. Als hätten sie die Illusion gehabt, Deutschland habe einen Anspruch darauf, von der Welt nicht behelligt zu werden und seine nationale Energie- und Klimapolitik ohne Störungen von außen verfolgen zu können. Der schöne Traum ist geplatzt. Deutschland ist keine Insel.

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