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Geschäftsstelle der Thüringer CDU in Erfurt

© dpa/Michael Reichel

Update

„Steigbügelhalter für Rechtsaußen-Partei“: Gespräche mit der AfD? Scharfe Kritik an Thüringer CDU-Politikern

17 CDU-Funktionäre in Thüringen fordern „ergebnisoffene“ Gespräche mit der AfD. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nennt das „verantwortungslos“.

Von Matthias Meisner

In einem gemeinsamen Schreiben haben 17 Thüringer CDU-Funktionäre nach der Schlappe ihrer Partei bei der Landtagswahl Bereitschaft zu Gesprächen mit der von Björn Höcke geführten AfD im Freistaat gefordert. Der Appell konservativer Unionsmitglieder in Thüringen unter der Überschrift „Demokratie braucht Dialog" wurde in CDU-Kreisen verbreitet. Er liegt dem Tagesspiegel vor.

Die Funktionäre empfinden es demnach als undenkbar, dass „fast ein Viertel der Wähler“ in Thüringen „bei den Gesprächen außen vor bleiben soll“. Damit wählten sie ganz ähnliche Worte wie der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Heym, der vergangene Woche mit Blick auf das Stimmenergebnis der AfD von 23,4 Prozent bei der Wahl gesagt hatte: „Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, reagierte mit scharfer Kritik. Er sagte dem Tagesspiegel: „Die Thüringer CDU-Kommunalpolitiker, die gesprächsoffen für die AfD sein wollen, handeln verantwortungslos. Denn sie tragen dazu bei, die AfD weiter salonfähig zu machen.“ Schuster erinnerte daran, dass sich schon einmal in der deutschen Geschichte bürgerliche Politiker als „Steigbügelhalter für eine Partei von Rechtsaußen betätigt“ und damit „furchtbar geirrt“ hätten. Er sagte: „Das sollte bis heute eine ausreichende Warnung für alle Demokraten sein.“

Kein konkreter Koalitionswunsch mit der AfD

In dem Papier der 17 CDU-Funktionäre wird die AfD zwar nicht ausdrücklich genannt, die Stoßrichtung ist aber eindeutig. Einen konkreten Koalitionswunsch haben die CDU-Funktionäre nicht formuliert. Eine Entscheidung dafür oder dagegen solle erst nach ergebnisoffenen Gesprächen gefällt werden, hieß es. Heym habe „die Situation treffend analysiert“, heißt es in dem Papier. Deshalb erwarten die Unterzeichner des Appells, „dass der Landesvorstand sich zu ihm bekennt“.

Zu den Unterzeichnern gehören demnach der CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Kellner und der ehemalige Landrat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, Ralf Luther. Die Unterstützer sind überwiegend Vertraute von Heym - und gehören teilweise auch zum Umfeld der „Werte-Union“, die sich am rechten Rand von CDU und CSU positioniert.

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Die CDU war bei der Landtagswahl am 27. Oktober nach vorläufigem Ergebnis mit 21,8 Prozent nur noch auf Platz drei hinter der AfD gelandet. Heym kommentierte das mit den Worten: „Rechnerisch reicht es für ein Bündnis aus AfD, CDU und FDP. Ich finde, das sollte man nicht von vornherein ausschließen.“ Mehrere CDU-Politiker verlangten daraufhin Heyms Ausschluss aus der Partei.

Die Linke mit Ministerpräsident Bodo Ramelow war stärkste Partei geworden. Angesichts von Verlusten der Koalitionspartner SPD und Grüne hat die bisherige Koalition aber keine Mehrheit mehr. Deshalb gibt es Diskussionen über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Linke und CDU, aber auch über eine von Ramelow angeführte Minderheitsregierung. Die CDU-Führung hat jedoch klargemacht, dass sie eine solche ablehnt – ebenso wie die mit der AfD.

Heym hatte dagegen vergangene Woche etwa im Morning-Briefing Podcast mit Gabor Steingart gesagt, es gebe eine „bürgerliche Mehrheit rechts“ aus CDU, AfD und FDP.

Gerade für die Aussage, die AfD sei eine bürgerliche Partei, hatte Heym scharfe Kritik kassiert, auch aus den eigenen Reihen. So meldete sich bei Twitter der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, zu Wort: „Wir Christdemokraten grenzen uns nach rechts- wie linksradikal klar ab. Die AfD ist keine bürgerliche Partei. Die Zahl ihrer Wählerinnen und Wähler ist kein Argument. Eine Partei wird nicht durch Wahl demokratisch“, schrieb Wanderwitz.

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SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Erklärung der 17 CDU-Funktionäre zum Einschreiten auf. „Die Brandmauer gegen Rechts in der CDU bekommt weitere schwere Risse", sagte er dem Tagesspiegel. „Ich frage mich, wann die Parteiführung in Berlin endlich mal hart durchgreift gegen diejenigen in den eigenen Reihen, die den Rechtsextremen offen die Hand ausstrecken.“ Der ständige Verweis auf einen alten Parteitagsbeschluss als Abgrenzung reiche da nicht mehr aus.

Die thüringische Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne), Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Wahl, warb für Gespräche der bisherigen Koalitionäre auch mit der CDU. Sie sagte dem Tagesspiegel: „Richtig ist, dass Demokratie Dialog erfordert.“ Eine Partei werde aber nicht demokratisch, indem sie gewählt werde. „Daher: Dialog unter demokratischen Parteien von Linke bis CDU ist in Thüringen der beste Weg für ein zukunftsfähiges Land. Wer rechts abbiegt, spielt mit dem Feuer und der Zukunft des Landes.“

CDU und Linke kämen gut an

Aber nicht nur um eine Zusammenarbeit mit der AfD gibt es Streit. Auch eine mögliche Zusammenarbeit der Thüringen-CDU mit der Linken sorgt seit der Wahl für Ärger in der Partei. Dabei spricht sich eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland laut einer Umfrage für eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei in Thüringen aus. 79 Prozent aller Wahlberechtigten würden das begrüßen, unter den Thüringern sogar 91 Prozent – das geht aus dem RTL/n-tv-„Trendbarometer“ hervor.

Mike Mohring (CDU, l.), und Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen.
Mike Mohring (CDU, l.), und Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Die Meinungen gehen jedoch auseinander, ob die CDU eine formale Koalition mit der Linken eingehen oder eine Minderheitsregierung unter Führung der Linken tolerieren sollte: 39 Prozent (43 Prozent der Thüringer) sprechen sich für eine Koalition aus, 40 Prozent (48 Prozent der Thüringer) für eine Tolerierung.

In der vergangenen Woche hatte Thüringens CDU-Chef Mike Mohring eine von der CDU angeführte Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. Diese Option lehnen laut der Umfrage 72 Prozent der Bundesbürger und 80 Prozent der Thüringer ab - auch SPD und Grüne in Thüringen stehen für diese Konstellation nicht bereit. (mit dpa)

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