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Plastiktrinkhalme sind nun verboten.

© dpa/Ralf Hirschberger

Start im Sommer 2021: Strohhalm, Gabel, Teller – Bundestag beschließt Plastikverbot

Deutschland setzt EU-Vorgaben um und will Einwegplastikprodukte verbieten. Außerdem soll es Händlern schwerer gemacht werden, intakte Ware wegzuschmeißen.

Ausgerechnet die Coronakrise hat zu einer großen Plastik-Renaissance geführt. Auch im Bundestag, bei Treffen mit Abgeordneten, gibt es wegen des Virenschutzes zum Beispiel folgendes Bild: Dutzende Teller mit jeweils einer Butterbrezel, die jeweils mit mehreren Folienschichten abgedeckt ist. Das passt so gar nicht zur ersten Sitzungswoche, die ganz unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ stand. Ein sperriger Begriff, aber die Abgeordneten haben versucht, ihn mit mehreren Gesetzen mit Leben zu füllen.

Verbot von Einwegplastikprodukten

Vor allem Einwegplastikprodukte sollen nicht mehr lange zum Alltag gehören. Denn die EU will bestimmte Einwegkunststoffprodukte ab Sommer 2021 verbieten. Nun hat der Bundestag das entsprechende deutsche Gesetz auf den Weg gebracht. Zu den künftig verbotenen Produkten gehören Wattestäbchen, Besteck, Teller und Strohhalme aus Kunststoff, genau wie Stäbchen für Luftballons und Rührstäbchen.

Auch Getränkebecher und Lebensmittelbehälter aus Styropor sind dann verboten. Die Verordnung soll am 3. Juli 2021 in Kraft treten, das Gesetz muss noch vom Bundesrat gebilligt werden. Für Grüne und Umweltorganisationen ist das viel zu wenig. „Der Weg aus der Plastikkrise führt nur über eine echte Verpackungswende“, sagt die Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth. „Weg von Einweg, hin zu Mehrweg.“

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Greenpeace fordert einen verbindlichen Fahrplan von der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), wie bereits vorgegebene Mehrwegquoten erreicht werden können. Kunststoffverpackungen, die nicht wiederverwertet werden können, sollten verboten werden.

Bettina Hoffmann, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, betont gegenüber dem Tagesspiegel: „Wichtig ist, dass wir insgesamt viel weniger Müll produzieren, egal ob dieser aus Plastik, Papier oder Aluminium besteht“. Es brauche dringend eine „Mehrwegoffensive“. In ihrer Rede im Bundestag forderte sie eine „Revolution der gesamten Güterproduktion“.

Verordnung gegen Retouren-Vernichtung

Am Donnerstagabend stimmte das Parlament außerdem über eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ab, dem zentralen Bundesgesetz für Abfallrecht. EU-Abfallrahmenrichtlinien sollen damit in deutsches Recht übertragen werden. In einigen Punkten geht das Gesetz über die Vorgaben der EU hinaus: So will der Staat mit einer neuen „Obhutspflicht“ gegen die Retouren-Vernichtung vorgehen.

Aus Kostengründen entsorgen Onlinehändler wie Amazon häufig neuwertige Ware, die zurückgeschickt wurde, anstatt sie weiterzuverwerten oder zu spenden. Die Uni Bamberg hatte erforscht, dass etwa 3,9 Prozent der Retouren in Deutschland jährlich vernichtet werden, allein 2018 20 Millionen Artikel. Offizielle Angaben seitens der Händler gab es dazu bisher nicht – das soll sich jetzt ändern.

„Funktionierende Dinge sollen nicht zu Abfall werden,“ sagte Umweltstaatssekretär Florian Pronold (SPD). Händler sollen qua Gesetz verpflichtet werden, Transparenz zu schaffen und zu dokumentieren, wie viele Waren sie wegschmeißen. Mit der neuen Regelung wolle man „Vorreiter in der EU“ werden.

Künftig soll es schwerer für Händler werden, intakte Ware einfach wegzuschmeißen.
Künftig soll es schwerer für Händler werden, intakte Ware einfach wegzuschmeißen.

© dpa/Tom Weller

Die Obhutspflicht soll dafür sorgen, dass Händler funktionsfähige Ware nicht wegschmeißen – Sanktionen sind aber bisher nicht vorgesehen. Bei der Regelung soll es vor allem um Textilien und Elektronikartikel gehen.

Die Grünen-Abgeordnete Bettina Hoffmann bezeichnete die „eigentlich richtige“ Einführung einer Obhutspflicht als „leere Ankündigung“. Solange eine konkrete Verordnung zur Umsetzung fehle, bliebe die Obhutspflicht wirkungslos und die Vernichtung gebrauchsfähiger Ware weiterhin legal. Das kritisieren auch die Umweltorganisationen.

Die Regierung habe mit dem Gesetz zwar guten Willen gezeigt, aber noch keine Wirkung, sagt Michael Jedelhauser vom Naturschutzverbund Deutschland (NABU). „Es wäre gut, wenn wir sanktionieren würden“, sagt auch Florian Pronold. In dem Gesetzesentwurf sei man aber in Abstimmung mit der Union nicht über die Transparenzpflicht hinausgekommen. Pronold rechnet in einem weiteren Schritt mit Sanktionen für Händler, die ihre Retouren-Vernichtung nicht offenlegen.

Reinigungskosten für Hersteller

Ebenfalls in der Novelle geregelt: Hersteller von Einwegplastikartikeln oder Zigaretten sollen künftig für die Kosten der Reinigung aufkommen. 700 Millionen Euro würden Kommunen im Jahr für die Reinigung der Straßen und Parks von Plastikartikeln ausgeben, so Pronold. Wie genau Hersteller an den Kosten beteiligt werden sollen, ist noch zu klären. Der Staat verpflichtet sich außerdem selbst, umweltfreundlich zu kaufen und recycelbare Produkte zu bevorzugen.

Höhere Sammelquoten für Batterien

Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche beschloss der Bundestag zudem eine Novelle des Batteriegesetzes, die für fairere Wettbewerbsbedingungen für die Rücknahmesysteme sorgen soll. Die Sammelquote wird von 45 auf 50 Prozent erhöht. Grüne und Linke hatten größere Anstrengungen gefordert, etwa nach einem Pfandsystem oder neuen Regeln für die Rücknahme von E-Bike-Batterien. Alle Vorhaben müssen noch den Bundesrat passieren.

Leichtere Rückgabe von Elektromüll

Am Mittwoch ging es zudem um eine Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes. Umweltministerin Schulze will damit das Recycling von Elektrogeräten verbessern. Wenn Supermärkte Elektrogeräte verkaufen, sollen die Käufer dort künftig auch ihre alten Elektrogeräte abgeben können, wenn diese eine Kantenlänge bis 50 Zentimeter haben.

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