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Verheißungsvoll. Das 9-Euro-Ticket ist ein Versprechen, das eventuell nicht gehalten werden kann.

© John MACDOUGALL/AFP

Update

Start des 9-Euro-Tickets: Die Lust aufs Bahnfahren ist da – aber die Infrastruktur fehlt

Endlich liegt der Fokus auf Bahn und öffentlichem Nahverkehr. Doch für eine Verkehrswende sind sie nicht gerüstet. Wie es besser werden kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Ab diesem Mittwoch gilt das Neun-Euro-Ticket und die Verkaufszahlen zeigen: Die Deutschen freuen sich drauf. Bis Dienstag wurde das Billigticket bereits sieben Millionen Mal verkauft. Viele Menschen planen für Juni, Juli und August offenbar Ausflüge mit Bummelbahnen.

Ausflugsstimmung ist allen Käufer:innen auch dringend zu empfehlen. Fahrten mit dem Ticket dürfte an schönen Wochenenden nur genießen, wer volle Züge und die eine oder andere Verspätung als das besondere Erlebnis dieses Sommers begreift.

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Die Warnungen vor totalem Stillstand auf der Schiene könnten sich am Ende trotzdem als übertrieben herausstellen. Brechend voll sind viele Regionalzüge etwa von Berlin Richtung Ostsee bei schönem Wetter auch ohne Neun-Euro-Ticket. Das Discountangebot wirkt hier nur verstärkend.

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Die aufgeregte Debatte der vergangenen Wochen war dennoch wichtig: Sie hat gezeigt, dass Züge, Busse und Bahnen auf deutlich mehr Fahrgäste – und damit auf die Verkehrswende – nicht vorbereitet sind. Bisher hat Verkehrsminister Volker Wissing viel über die Förderung von E-Autos geredet. Nun steht endlich die Stärkung der Bahn und des Nahverkehrs im Fokus.

Damit Fernzüge pünktlich sind, muss der Güterverkehr zwangsweise stillstehen

Das ist auch dringend nötig. Nicht einmal 70 Prozent der Fernzüge kamen zuletzt pünktlich ans Ziel. Und so viele waren es auch nur, weil mehrfach hunderte Güterzüge zwangsweise stillstanden. Schon vor dem Start des Neun-Euro-Tickets ließ sich der deutsche Bahnverkehr also nur mit drastischen Mitteln halbwegs stabilisieren.

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Im Güterverkehr ist die Lage seit dem Herbst angespannt, räumte Bahnchef Richard Lutz Montag ein. Das marode Schienennetz und Baustellen lassen einen zuverlässigen Betrieb kaum zu. Zu 80 Prozent pünktliche Fernzüge – dieses ohnehin bescheidene Ziel wird die Bahn 2022 sicher verfehlen.

[Lesen Sie auch: Bahn im Dauer-Chaos: Das deutsche Schienennetz steht vor dem Kollaps (T+)]

Und in den nächsten Jahren wird es kaum besser. Bis zum Ende des Jahrzehnts will die Deutsche Bahn AG die meistbefahrenen Strecken des Landes sanieren. Dort sind die Gleise im schlechtesten Zustand. Jetzt rächt sich, dass die Politik seit der Bahnreform 1994 viel zu wenig in die Instandhaltung investiert hat. Deutlich mehr Fahrgäste und Güter auf der Schiene werden bis 2030 deshalb kaum möglich sein – auch wenn der Bahnchef anderes verspricht.

Immer wieder neue Baustellen auf der gleichen Bahnstrecke

Um die Störung des Betriebs zeitlich zu begrenzen, sollen die Hauptstrecken koordiniert in einem Rutsch saniert werden. Das versprach allerdings schon der frühere DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla – umgesetzt wurde es nicht. Stattdessen werden Baustellen immer wieder unkoordiniert und zeitlich nacheinander eingerichtet.

Ähnlich ärgerlich: Haupt- und Ausweichrouten sind oft gleichzeitig blockiert. Vor allem aber informiert die zuständige Bahntochter oft zu spät über ihre Bauvorhaben. Alternativplanungen sind so für die Bahnbranche und ihre Kunden kaum möglich.

[Lesen Sie auch: Wie realistisch das Versprechen des „Deutschland-Takts“ der Bahn ist (T+)]

Das derzeitige Bahnchaos liegt allerdings nicht allein am DB-Konzern. Sondern auch an der staatlichen Bürokratie. Für den Schienenbau gibt es unzählige Fördertöpfe mit rund 200 verschiedenen Verfahren. Obwohl schon die große Koalition Rekordsummen für die Schiene zur Verfügung gestellt hatte, ist der Sanierungsstau daher nicht kleiner, sondern größer geworden.

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Diese Überregulierung verhindert auch smartes Bauen. So würde Lutz bei der Sanierung gerne gleich mit ein paar Zusatzmaßnahmen dafür sorgen, das später mehr Züge fahren können. Klingt gut, ist aber fast unmöglich: Instandsetzung und Ausbau werden nämlich unterschiedlich finanziert.

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Helfen könnte eine Großreform, welche die Ampel-Koalition in Angriff nehmen will. Für die Schieneninfrastruktur soll eine neue gemeinnützige Gesellschaft geschaffen werden.

Sie soll weitgehend unabhängig von der übrigen, kommerziell orientierten DB-Holding agieren. Damit könnten viele enge Vorschriften entfallen. Den Start dieser gemeinnützigen Schienen-GmbH hat Wissing für Anfang 2024 angekündigt. Es wird allerhöchste Zeit.

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