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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, spricht bei seiner Pressekonferenz zum Impfstart in Hausarztpraxen.

© Michael Kappeler/dpa

Start der Impfkampagne bei den Hausärzten: Jens Spahn und das verschobene Impfwunder

Die nächste Phase der Impfkampagne beginnt. Viel Hoffnung ist damit verbunden. Doch der Gesundheitsminister warnt: Impfen ersetzt den Lockdown nicht.

Bei frohen Botschaften von Jens Spahn ist es angebracht, genau hinzuhören. Als der Bundesgesundheitsminister vor Weihnachten den Beginn der Impfkampfange in Deutschland verkündete, klang das in manchen Ohren sehr forsch und temporeich. Einige Wochen später, als hochfliegende Erwartungen gedämpft waren und der schleppende Start sichtbar war, wies Spahn darauf hin, er habe stets gesagt, dass es zunächst nur wenig Impfstoff geben werde.

Mit der frohen Osterbotschaft des CDU-Politikers ist es nun ganz ähnlich. In der Pressekonferenz zum Start der Hausarztkampagne hat Spahn deutlich anklingen lassen, dass das große Impfwunder auch jetzt nicht einsetzen wird.

„Noch kein großer Schritt, aber ein wichtiger“ – so fasste Spahn den Start der Impfungen in den Arztpraxen, die nach Ostern beginnen werden, zusammen. Etwa 35.000 Ärzte haben demnach Impfdosen für die kommende Woche geordert, 1,4 Millionen Bestellungen gingen insgesamt ein. 940.000 Dosen können laut Spahn auch geliefert werden. Das macht rein rechnerisch etwa 27 Dosen pro Praxis – eine Menge, die in wenigen Stunden verimpft werden kann. Bis Ende April erwartet der Minister etwa drei Millionen Dosen pro Woche für das Impfen durch die Ärzte. Dann wären es um die 80 Impfungen, die wöchentlich je Arzt angeboten werden können.

Priorisierung gilt grundsätzlich weiter

Einschränkungen bestimmen so zunächst den Start dieser zweiten Phase der Impfkampagne, nachdem bisher vor allem Alten- und Pflegeheime dran waren und Personen, die zu den ersten beiden Priorisierungsgruppen gehören – also vor allem Männer und Frauen über 80, Personal im Gesundheitswesen, Lehrkräfte. Priorisierung, das machte Spahn deutlich, soll weiterhin eingehalten werden – aber das Verimpfen aller Dosen am Ende einer Woche sei auch ein Ziel.

Der Start ist auf Hausarztpraxen begrenzt, und zwar nur die, welche eine Kassenzulassung haben. Fach- und Privatpraxen sollen dann später hinzukommen, wenn das Impfstoffangebot sich ausweitet. Laut Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gibt es in Deutschland etwa 87.000 Ärzte, die Impfungen vornehmen können.

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Spahn setzt darauf, dass Hausärzte ihre Patienten kennen und wissen, wer wegen Vorerkrankungen etwa bevorzugt werden kann. Das Vertrauen spielt auch beim Impfstoff eine Rolle. Zunächst ist vorgesehen, nur das Produkt von Biontech an die Praxen zu liefern.

In zwei Wochen soll dann das umstrittene Vakzin von Astrazeneca hinzukommen, in der dritten Woche dann erstmals der erst kürzlich zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson. Damit hätten Ärzte also die Auswahl zwischen drei Produkten. Moderna soll ausschließlich an die staatlichen Impfzentren gehen, weil das Produkt offenbar sehr empfindlich auf längeres Transportieren reagiert.

Problemstoff Astrazeneca

Der Problemstoff Astrazeneca dürfte auch in den Hausarztpraxen Thema sein. Gassen stellte am Donnerstag klar: Die Ärzte sähen es nicht als ihre Aufgabe, den Impfwilligen jetzt Astrazeneca gezielt nahe zu bringen. Der Stoff sei ein Hoffnungsträger gewesen, weil er einfach zu handhaben sei. Nun sei wegen der Fälle mit „extrem seltenen Nebenwirkungen“ eine „unbefriedigende Situation“ entstanden.

Es gehe daher um Aufklärung. Doch wollten die Ärzte Impfstoff nicht wegwerfen. In jedem Fall würden die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gelten, die Astrazeneca nunmehr vor allem für Ältere empfiehlt.

Spahn hofft, dass diese Begrenzung nicht zum Problem für die Impfkampagne wird. Er verweist darauf, dass 24 Millionen Menschen in Deutschland älter als 60 sind. Im zweiten Quartal sei mit 15 Millionen Astrazeneca-Dosen zu rechnen. „Wir werden ausreichend Menschen finden, die diesen Schutz annehmen wollen“, ist sich der Minister sicher. Im Übrigen sei es immer besser, mehr von einem Impfstoff zu haben als zu wenig.

Spahn hofft auf Vorbilder

Er hofft hier auch auf Vorbilder – und noch während der Pressekonferenz am Mittag läuft die Meldung ein, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sich in Berlin mit Astrazeneca hat impfen lassen. Gefragt nach der angeblich ablehnenden Haltung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) meint Spahn nur: „Jeder und jede muss für sich eine Entscheidung treffen.“ Er selbst würde sich grundsätzlich mit Astrazeneca impfen lassen, wenn er dran wäre – nach Beratung durch den Arzt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Impfung im Bundeswehrkrankenhaus Berlin.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Impfung im Bundeswehrkrankenhaus Berlin.

© Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa

Natürlich ist der Beginn auch dieser Phase wieder eine logistische Herausforderung. Die Impfstoffe für die Praxen werden von den Großhändlern über 110 Verteilzentren an etwa 19.000 Apotheken geliefert, die sie dann an die Ärzte weiterleiten. Die Dosen sollen dort zu Wochenbeginn eintreffen und möglichst zum Wochenende verimpft sein – angesichts der überschaubaren Startmenge zunächst wohl kein großes Problem, wenn Astrazeneca angenommen wird.

Ärztechef Gassen ist immer wieder als Kritiker zu starker Beschränkungen wegen der Pandemie hervorgetreten. Ausgangsbeschränkungen und Reiseverbote lehnt er als zu tiefen Eingriff ab. Man lebe mittlerweile seit Anfang November in einem „Lockdown mit Ausfransungen“. Die Todeszahlen seien mittlerweile, nicht zuletzt dank der Impfungen, deutlich zurückgegangen. Sein Ausblick: „Der sicherste Weg aus der Pandemie ist eine möglichst zügige Impfkampagne.“ Er ist sicher: „Das wird funktionieren.“

Spahn dämpft auch hier die Erwartungen. Die Vorprescher beim Impfen, Israel und Großbritannien, seien dennoch im Lockdown geblieben. Impfen sei der Weg aus der Pandemie, aber es sei ein längerer Weg. „Impfen ersetzt den Lockdown nicht“, sagt Spahn.

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