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Wann endlich kehrt der alte Glanz zurück? Noch 2019 fand rund um das Berliner Olympiastadion das Lollapalooza Festival statt.

© Christoph Soeder/ dpa

Stadien ohne Publikum: Der berühmte Funke will so nicht überspringen

Die Bundesliga hat begonnen. Wie traurig, sich diese untoten Orte im Fernsehen anzuschauen. Etwas Essenzielles fehlt: die kollektive Euphorie.

Neulich ist im riesigen Münchner Olympiastadion eine Berliner Indie-Musikerin von nicht ganz so riesiger Bekanntheit aufgetreten. Ohne der wunderbaren Bernadette La Hengst zu nahe treten zu wollen: Das war natürlich einzig und allein der Pandemie wegen möglich.

Normalerweise spielt sie in deutlich kleineren Locations. Beim Konzert unter dem legendären Zeltdach waren dann auch 300 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei, die sich hinsetzen mussten.

Immerhin mal wieder ein bisschen Leben im Stadion. Doch gleichzeitig wird bei solchen Gelegenheiten besonders deutlich, was nun schon seit einem halben Jahr alles nicht mehr geht, und was Musik- und Sportfans gleichermaßen vermissen: zusammen mit vielen anderen jubeln, tanzen, trinken. Ausgelassenheit auf Abstand ist unmöglich. Stadien, die auf Dauer nur von wenigen Menschen besucht werden können, verwandeln sich in Unorte. Es rockt einfach nicht mehr.

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Am Freitagabend hat die Bundesliga wieder begonnen, und wie traurig sind diese untoten Orte jetzt regelmäßig im Fernsehen anzuschauen. Konnte man sich in der geisterhaft zu Ende gespielten letzten Saison noch einreden, dass es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelt, führt jetzt nichts mehr an der Erkenntnis vorbei, dass es sehr lange keine ausverkauften Stadien mehr geben wird.

Wo bleibt die kollektive Euphorie?

Zur viel beschworenen neuen Normalität gehört ein Phantomschmerz, der sich weder durch Open-Air-Konzerte mit strengen Auflagen lindern lässt, noch dadurch, hier und da ein paar tausend Fußballfans auf die Ränge zu lassen. Denn etwas Essenzielles, das seit der Antike zur Faszination von Sport- und Kulturorten gehört, fehlt.

Es sind die Momente der kollektiven Euphorie, in denen es zu einem Energieaustausch zwischen den Stars und dem Publikum kommt. Der berühmte Funke, der plötzlich überspringt, wenn sich bis unter das Dach alle erheben, weil sie einen Hit erkennen, mitsingen, die Nebenstehenden anlachen.

Eine noch dramatischere Dynamik kennt man aus den kritischen Phasen von Fußballspielen, wenn auf einmal auch die Blöcke jenseits der Fanclubs ihr Team wie verrückt anfeuern. Das setzt auch auf dem Rasen neue Kräfte frei. Manche Tore werden herbeigebrüllt, das ist kein magisches Denken, sondern Heimvorteil. Der besteht momentan höchstens darin, dass das gastgebende Team eine kürzere Anreise hat und weiß, wo die Toiletten sind.

Pappfiguren auf den Rängen

Die Erinnerung an große Live-Erlebnisse macht melancholisch. Verschlimmert wird das Gefühl durch den Anblick von Pappfiguren auf den Rängen oder auf die Tonspur gemischte Stadionatmosphäre. Eigentlich wäre es am besten, die Bundesliga verlegte ihre Spiele auf Trainingsplätze, Fans wären nicht zugelassen, die TV-Übertragungen kämen ohne jeden Schnickschnack aus.

Dann wäre wirklich allen klar, wie ernst die Coronalage weiterhin ist. Gut möglich, dass derart nackte Spiele bei den Zuschauenden die Motivation erhöhen würden, tatkräftig an der Vermeidung einer zweiten Welle mitzuwirken. Maske auf, dann auch Stadion irgendwann wieder auf.

Und während die Kicker auf Trainingsplätzen spielen, könnten sich in den Arenen die Rapper, Rocker, Soulsängerinnen und Indie-Musikerinnen austoben, für die es derzeit keine Indoor-Auftritte gibt. In München wäre dann nicht nur im Olympiastadion Platz, sondern auch in der Allianz Arena. Deren erleuchtbare Hülle gäbe sicher eine schicke Lightshow ab.

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