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Am kommenden Samstag soll sie von Erdogan offiziell eröffnet werden, die Zentralmoschee der Ditib im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.

© Henning Kaiser / dpa / AFP

Staatsbesuch von Recep Tayyip Erdogan: Die Gedanken sind frei – auch die von Türken

Die Ditib ist der Dachverband türkischer Moscheegemeinden in Deutschland. Nun prüft der Verfassungsschutz eine Beobachtung. Doch warum genau? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das Kürzel „Ditib“ birgt emotionale Sprengkraft. Es steht für die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“. Der eingetragene Verein besteht seit mehr als 30 Jahren, beaufsichtigt nach eigenen Angaben rund 900 Moscheegemeinden, ist damit eine der größten islamischen Organisationen in Deutschland und hat seinen Hauptsitz im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Eben dort wird der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan am kommenden Sonnabend die Zentralmoschee des Verbands offiziell eröffnen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat seine Teilnahme abgesagt.

Denn der Termin ist heikel. Unmittelbar vor Erdogans Deutschland-Visite wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Einstufung der Ditib-Zentrale als Beobachtungsobjekt prüft. Bei einigen in Deutschland lebenden Türken sowie türkischstämmigen Deutschen löst das Befremden aus. Warum wird diese Meldung ausgerechnet kurz vor dem Erdogan-Besuch lanciert? Seit den NSU-Morden, mehreren Attentaten auf Moscheen und verstärkt durch die Maaßen-Affäre wird der Verfassungsschutz als ineffizient, wenn nicht gar blind gegenüber ausländerfeindlichen Tendenzen wahrgenommen. Sie fragen: Wäre eine Überwachung der Ditib politisch motiviert?

Der Dachverband türkischer Moscheegemeinden ist formal ein unabhängiger deutscher Verein. Er untersteht allerdings vollständig dem staatlichen Präsidium für religiöse Angelegenheiten in der Türkei, Diyanet. Die Behörde hat 100.000 Mitarbeiter, einen Jahresetat von 1,8 Milliarden Euro (2016) und entsendet knapp tausend Imame nach Deutschland.

Die Ditib sei der verlängerte Arm Erdogans, heißt es

Das ruft Kritiker auf den Plan. Die Ditib sei der verlängerte Arm Erdogans, heißt es, sie stehe für türkischen Nationalismus statt Integration, fordere Religionsfreiheit für Muslime, verweigere diese aber Christen in der Türkei.

Manchmal mischen sich in die überwiegend berechtigten Vorhaltungen allerdings religionsignorante, wenn nicht gar -averse Argumente. Fast alle Religionsgemeinschaften agieren transnational. Wer religiöse Einmischung aus dem Ausland grundsätzlich verbieten will, verkennt das Wesen geistlicher Solidargemeinschaften.

Christentum etwa bedeutet auch Mission. Die Christianisierung Afrikas oder Asiens wäre ohne Unterstützung westlicher Kirchen kaum möglich. Von Ägypten bis Äthiopien, Kuba bis Tansania hilft etwa das Berliner Missionswerk bei der Ausbildung von Theologen. Mehrere in Deutschland tätige Rabbiner wiederum wurden in Israel geboren und ausgebildet. Das freilich hat nichts mit Mission zu tun, sondern ist eine Folge schnell gewachsener jüdischer Gemeinden.

Auf jeden Fall sollte Deutschland nicht dem österreichischen Modell folgen, wo die Auslandsfinanzierung religiöser Vereine vor drei Jahren verboten wurde. Jetzt droht mehreren Imamen die Ausweisung.
Der Einwand, die Ditib verbreite Werte, die mit denen des liberalen, aufgeklärten Europas nicht vereinbar seien, greift ebenfalls zu kurz. Abgesehen davon, dass sich dies etwa auch über den Katholizismus sagen ließe, von wegen Frauenbild, Homosexualität, Wiederverheiratung, dürfen religiöse Prediger nur eines nicht: zu Straftaten aufrufen. Alles andere mag unerwünscht sein, fällt aber unter die Meinungsfreiheit.

Ein Stützpunkt des türkischen Geheimdienstes?

Vertreter der Ditib leugnen den Völkermord an den Armeniern und verteidigen die türkische Militär-Intervention in Syrien. Beides ist abscheulich, zumindest in Deutschland aber nicht verboten. Und wer sich als Christ eher links verortet, geht auf Kirchentage und demonstriert für den Frieden, wer eher rechts ist, protestiert gegen Abtreibung und die Ehe für alle.

Ist das Treiben der Ditib unbedenklich? Keineswegs. Diverse Berichte nähren den Verdacht, dass die Ditib-Zentrale in Köln-Ehrenfeld ein Stützpunkt des türkischen Geheimdienstes ist. Demnach würden Mitglieder des Verbandes ein Spitzel- und Denunziantensystem aufbauen, Informationen über vermeintliche Landesverräter sammeln und mit militanten Kräften der nationalistischen Grauen Wölfe kooperieren. Im Visier seien alle Kritiker der Erdogan-Regierung, insbesondere aber Anhänger der Gülen-Bewegung, die von Ankara als terroristisch eingestuft wird.

Auf diese Berichte muss sich der Verfassungsschutz bei der Prüfung seiner Einstufung der Ditib konzentrieren. Eine Gesinnungsprüfung findet nicht statt, die Köpfe der hier lebenden Türken gehen den Verfassungsschutz nichts an, deren Unversehrtheit und die Wahrung der Menschenrechte allerdings schon.

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