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Das Innenministerium macht keinen Hehl daraus, dass die Atombeteiligungen weiter anschwellen werden.

© Julian Stratenschulte/dpa

Staatliche Fonds: Verstoß gegen den Koalitionsvertrag: Bund kauft Atom-Aktien

Entgegen dem Koalitionsvertrag investieren staatliche Pensionsfonds in ausländische Akw. Zuständig dafür ist das Innenministerium unter Horst Seehofer.

Von Jakob Schlandt

Der Koalitionsvertrag ist eindeutig: Die „Beendigung aller Beteiligungen staatlicher Fonds an Akw im Ausland“ ist dort von der schwarz-roten Koalition vereinbart worden. Mit anderen Worten: Kein Geld darf in Atommeilern schlummern. Wie neue Zahlen der Bundesregierung zeigen, die dem Tagesspiegel-Fachdienst Background Energie & Klima vorliegen, wird dieses Versprechen nicht eingehalten. Im Gegenteil: Anlagefonds des Bundes stocken ihre Beteiligungen auch ein halbes Jahr nach Vereidigung der neuen Regierung immer weiter auf und halten inzwischen Aktien im Wert von rund 145 Millionen Euro an Atomkonzernen.

Die Investitionen schwellen schnell an. Im Juni 2017 waren es noch rund 33 Millionen Euro, zum Jahreswechsel rund 100 Millionen Euro, davon rund 84 Millionen Euro im Ausland.

Allein die Auslandsbeteiligungen, die explizit ausgeschlossen werden, machen jetzt 120 Millionen Euro aus. Stichtag ist der 31. August dieses Jahres. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl hervor.

Grund ist laut des zuständigen Bundesinnenministeriums von CSU-Chef Horst Seehofer, dass die beiden Sondervermögen „Versorgungsrücklage“ und „Versorgungsfonds“ stärker auf Aktien setzen. Sie stocken nach und nach auf einen Anteil von 20 Prozent auf – der zuvor bei null und zehn Prozent lag. Mit den Fonds wird die Pension von Bundesbeamten und Soldaten abgesichert.

Grünen-Abgeordnete spricht von "Skandal"

Um breit anzulegen, wird vom Bund in die Papiere des Index Euro-Stoxx-50 investiert, der die größten europäischen Unternehmen umfasst. Dazu gehören die vier Kernkraftwerksbetreiber Iberdrola (Spanien), Enel (Italien mit europäischen Kernkraftwerksbeteiligungen), Engie (Frankreich) und die deutsche Eon. Mit der Beteiligung an Engie ist aus der Bundeskasse indirekt auch Geld in die besonders umstrittenen belgischen Anlagen Tihange und Doel geflossen.

Für die Grünen-Abgeordnete Kotting-Uhl ist der Vorgang ein Skandal. „Es ist unfassbar, dass sich die Bundesinvestments in Akw-Konzerne entgegen dem Koalitionsvertrag in diesem Jahr sogar noch stark erhöht haben.“ Seit letztem Sommer gebe es die Forderung der Grünen, diese Aktien abzustoßen. Auch die ehemalige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) habe dies bereits verlangt. "Was der Innenminister hier treibt, ist unsäglich", kritisierte die Abgeordnete weiter. Das Versagen gehe Hand in Hand mit einem anderen im Bereich Kernenergie: Von einem Gesetzentwurf zur Beendigung der hiesigen Urananreicherung und Brennelemente-Produktion fehle nach einem halben Jahr jede Spur.

Im Innenministerium tut man sich schwer mit einer überzeugenden Erklärung, warum der Koalitionsvertrag nicht umgesetzt wird. Der Auftrag sei zwar "klar und gilt". Aber: "Die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung, denn es ist nicht leicht zu bestimmen, welches Unternehmen oder welches Tochterunternehmen auch nur kleinste Anteile an Kernkraftwerken im Ausland besitzen. Denn der Wortlaut des Koalitionsvertrags spricht gegen eine Bagatellgrenze."

Einstweilen macht das Innenministerium keinen Hehl daraus, dass die Atombeteiligungen weiter anschwellen werden. "Die vom Gesetzgeber aufgetragene Aufstockung auf einen 20-prozentigen Aktienanteil ist noch nicht abgeschlossen. Die Zahl der Aktien wird in nächster Zeit deshalb noch zusätzlich steigen", hieß es aus dem Ministerium.

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