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Hält sich aktuell eher im Hintergrund, oder vor einem Weihnachtsbaum: Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© Carsten Koall/dpa

Spott und Hohn in der Corona-Debatte: Schluss mit der infantilen Autoritätsfixierung!

Was soll der Bürger schon tun, wenn „die da oben“ es so grandios verbocken? Vielleicht das: sich von „denen da oben“ emanzipieren. Eine Glosse.

Eine Glosse von Malte Lehming

Mehr Häme geht kaum. Was sind die alle unfähig da oben! So tönt es derzeit aus vielen Ecken und von vielen Kommentarspalten. Keiner führt, keiner hat Ahnung, jeder blamiert sich. Haben Sie das gesehen? Wie Christian Lindner, dieser Scherzkeks, am Sonntagabend betonte, dass ein General an der Spitze des künftigen Corona-Krisenstabes steht. Ein General! Da schlägt einer schon bei der Ankündigung die Hacken zusammen. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen, oder?

Überhaupt – warum redet der Lindner jetzt immer so bedeutungsschwer, macht diese vielnichtssagenden Pausen zwischen den Sätzen und versucht dabei, staatsmännisch auszusehen? Ist doch lächerlich. Lautet sein neues Motto: Lieber schlecht regieren als gar nicht regieren?

Merkel im Scheinwerferlicht des Großen Zapfenstreichs

Diese Ampel. Hat als erste Amtshandlung, obwohl noch gar nicht im Amt, die epidemiologische Notlage auslaufen lassen. Mitten in die rasant steigenden Infektionszahlen hinein. Die geschäftsführende Bundesregierung hat das pflichtschuldig kritisiert, aber im Bundesrat dann abgesegnet. Verstehen muss man das nicht.  

Angela Merkel, noch so eine Witzboldin, taucht gar nicht mehr auf. Wahrscheinlich sieht sie sich schon lächelnd im Scheinwerferlicht des Großen Zapfenstreichs. Sie will Lieder von Hildegard Knef und Nina Hagen hören. Emmanuel Macron und Boris Johnson wenden sich allabendlich an ihre Nationen, während Merkels Anti-Corona-Einsatz sich darin erschöpft, in irgendwelchen Hintergrundkreisen kurz anzudeuten, für wie bedrohlich sie die Lage hält.

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So könnte es ewig weitergehen in der spöttelnden Kommentierung all der Unzulänglichkeiten, Zaudereien, Heucheleien, Beschränktheiten und Tatenlosigkeiten von „denen da oben“. Krankenhäuser sind überfüllt, Menschen sterben. Aber weil unser Grundgesetz, stets bedacht auf die Verhältnismäßigkeit, angeblich eine effiziente Hilfe verbietet, darf das Wort „Lockdown“ nicht fallen. Es ist zum Haare raufen.

Impfquote in deutschsprachigen Ländern gering

Doch ein Übermaß an Häme und Spott zeugt auch von einer infantilen Autoritätsfixierung. Was soll der Bürger schon tun, wenn „die da oben“ es so grandios verbocken? Wenn sie es ihm nicht verbieten, ins Restaurant, ins Fußballstadion oder die Diskothek zu gehen? Wer über „die da oben“ schimpft, macht sich selbst zum Untertan, zum Befehlsempfänger. Willenlos, verantwortungslos, zur Untätigkeit verdammt.

In reifen Demokratien weiß der mündige Bürger, dass er sich manchmal von der Politik emanzipieren muss. Jeder einzelne entscheidet, ob er seine Kontakte reduziert, auf Partys oder ins Kino geht. Er weiß, dass das Erlaubte nicht immer das Vernünftige ist. Er braucht keine Regierung, die ihm den Weg weist.

Eine Form der Autoritätsfixierung

Warum ist die Impfquote in deutschsprachigen Ländern so gering? Vielleicht zeugt auch dieses Phänomen von einer besonderen Form der Autoritätsfixierung. „Die da oben“, die das Impfen empfehlen, werden nicht als demokratisch gewählte Volksvertreter wahrgenommen, sondern als Autokraten, deren Befehle nicht zu befolgen, ein legitimer Akt des Widerstandes ist. Es ist kein Zufall, dass sich einige Impfverweigerer in der Tradition von Sophie Scholl sehen.

Witz muss sein. Das Entsetzen über Stümpereien braucht ein Ventil. Aber als Ersatz dafür, selbst das Richtige zu tun, taugen weder Spott noch Hohn.

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