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Die Welt der Topverdiener ändert sich etwas.

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Spitzenverdiener und globale Ungleichheit: Wo lebt das oberste ein Prozent?

Eine Studie zeigt: Die Gruppe der Höchstverdiener, das oberste "ein Prozent", bekommt Zuwachs aus Brasilien, China, Russland. Aber weniger globale Ungleichheit bedeutet das nicht unbedingt.

Wo leben die Spitzenverdiener, das fast schon sprichwörtliche „eine Prozent“? Wie verteilen sich die Haushalte mit den höchsten Einkommen in der Welt? Die Fragen haben sich die britischen Ökonomen Sudhir Anand und Paul Segal gestellt. In einer Studie haben sie jetzt ihre Antworten mitgeteilt. Demnach haben die Schwellenländer bei der globalen Einkommensverteilung zumindest bei den Spitzenverdienern aufgeholt. Vor allem seit 2005 – bis dahin lagen die entwickelten Industrieländer weit vorne, seither fallen sie zurück. Die Finanzkrise spiele dabei eine Rolle, so die Einschätzung von Anand und Segal.

Freilich lebt das obere „ein Prozent“ bei den Einkommen noch immer weitgehend in den USA und Europa. Bezogen auf das Jahr 2012 wohnten 79 Prozent der Topverdiener in den Industrieländern. Doch in den Jahrzehnten vor 2005 waren es sieben bis elf Prozent mehr. Ganz vorne liegen weiterhin die USA mit 38 Prozent dieser Einkommensgruppe (doch waren es einmal mehr als 50 Prozent). An zweiter Stelle folgt Japan mit 8,5 Prozent, dahinter kommen Deutschland (5,8 Prozent, gegenüber 8,6 Prozent im Jahr 1988) und Frankreich (5,4 Prozent). Doch hat sich in den vergangenen Jahren Brasilien mit 5,3 Prozent schon vor Großbritannien geschoben, wo 4,7 Prozent der Spitzenverdiener leben. Das oberste „ein Prozent“, das sind Haushalte mit zusammen 70 Millionen Menschen.

Vor allem China und Russland holen auf

Obwohl Chinas kapitalistische Wende mittlerweile viele Milliardäre produziert hat, kommt das Land „nur“ auf einen Anteil von 3,4 Prozent der Höchstverdiener, gleichauf mit Russland. Noch deutlicher wird der Rückstand außerhalb der Kategorie der Superreichen in Indien: Dort lebt mittlerweile zwar jeder zwanzigste Milliardär, aber die Zahl der Haushalte mit Einkommen im Bereich der oberen ein Prozent ist verschwindend gering. Die Studie hat als Basis nicht die Vermögen genommen, die statistisch weniger genau zu erfassen sind, sondern beruht auf Studien zu Haushaltseinkommen und Daten zur Einkommensteuer aus 169 Länder, die über eine Kaufkraftberechnung vergleichbar gemacht wurden. Einige der ärmsten Länder sind nicht darunter.

Da die Schwellenländer nach wie vor schneller wachsen, erwartet der in Oxford lehrende Anand, dass der Trend weitergeht und der Anteil der Schwellenländer bei Topverdienern wächst. Die Ungleichheit in der Welt mindert das jedoch kaum, wenn überhaupt. „ Es ist überhaupt nicht klar, dass Reiche aus traditionell ärmeren Ländern zur Verringerung der globalen Ungleichheit beitragen“, kommentiert Segal vom Londoner King's College die Ergebnisse seiner Studie. „Wir sehen, dass die Ungleichheiten innerhalb der Länder hoch bleiben. Und Führungskräfte und Geschäftsleute könnten zu der Meinung kommen, dass sie weniger mit ihren Landsleuten verbindet als mit ihren Pendant in anderen Ländern.“ Die Befürchtung der beiden Ökonomen lautet, dass sich die Topverdiener zu einer eigenen, abgeschotteten globalen Klasse entwickeln. Schon heute hielten sich viele Reiche aus den Schwellenländern in den entwickelten Ländern auf und kauften sich dort auch ein, ihre Nachkommen würden an deren Universitäten ausgebildet. Dadurch entstünden gemeinsame Interessen, Ansichten und Werte. „Bürger aus Entwicklungsländern, welche in die globale Elite aufrücken, könnten sich weiter von ihren Landsleuten entfernen“, heißt es in der Studie.

Auf Kosten der oberen Mitte

Besonders interessant ist das Ergebnis der Studie bei der Verteilung der Einkommenszuwächse in den letzten Jahrzehnten. Die globalen Einkommen sind seit 1988 (so weit reicht die Studie zurück) etwa um 30 Prozent gewachsen. Das obere ein Prozent lag mit 38 Prozent darüber, bei den Superverdienern (das oberste Tausendstel) war es sogar ein Plus von 55 Prozent. Noch stärker waren die Einkommenszuwächse zwar weiter unten, in den Mittelschichten, mit 60 bis 80 Prozent – weltweit betrachtet jedenfalls, und das heißt, dass Mittelverdiener in Schwellen- und Entwicklungsländern am meisten Zuwachs erlebten. Doch erfolgte das von einem sehr niedrigem Niveau aus. Die „Zurückbleiber“ sind die Mittelschichten der etablieren Länder, also jene, die weltweit gesehen den größten Teil der Einkommensgruppen zwischen 70 und 99 Prozent bilden. Deren Einkommen wuchsen unterdurchschnittlich zwischen 15 und 30 Prozent. Hier schlägt sich offenkundig nieder, dass die Realeinkommen in den Industrieländern lange Zeit nur ering oder gar nicht gewachsen sind.

Insofern wird zwar die Ungleichheit in der Welt etwas geringer, aber relativ gesehen nicht auf Kosten der Topverdiener, sondern der Gruppen dahinter. Der Anteil des Einkommens der weltweit obersten zehn Prozent (und darunter fallen in Deutschland 55 Prozent der Bevölkerung) hat sich seit 1988 leicht verringert, von 56 auf 54 Prozent. Dagegen ist der Anteil des obersten Prozents von gut 19 auf 22 Prozent gewachsen, und das der obersten 0,1 Prozent von 5,6 auf 6,7 Prozent. Das oberste Hundertstel verdient bis zu 18-mal so viel wie der Durchschnitt, das oberste Tausendstel bis zu 67-mal so viel.

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