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Das Gebäude des BND in Mitte: Dem Geheimdienst stehen Veränderungen bevor.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Spionieren unter Aufsicht: Wer überwacht künftig den BND?

Derzeit wird im Kanzleramt unter Hochdruck an einer Reform des BND-Gesetzes gearbeitet. Doch es gibt widerstreitende Interessen.

Als kürzlich BND-Chef Bruno Kahl im Bundestag zu Gast war, richtete er eine Art Appell an die Abgeordneten. Die Aufgabe des BND sei es, verdeckt geheime Informationen aus Politik, Militär, Wissenschaft und Wirtschaft zu beschaffen und auszuwerten, erklärte der Geheimdienstchef. Kurz: Spionage.

Nur wenn man wisse, wie weit die Raketen eines verfeindeten Staates reichten, könne man die eigene Raketenabwehr entsprechend ausbauen. Nur wenn man wisse, was ein Regime vorhabe, könne man zwischen „wohlklingender Friedenspropaganda“ und „expansiv-aggressiven Absichten“ unterscheiden. „Es kann keine Alternative sein, die Möglichkeiten der Nachrichtendienste so weit einzuschränken, dass wir die Sicherheit unseres Landes gefährden“, schloss Kahl.

Dass der Geheimdienstchef die Bedeutung seiner Behörde so unterstrich, hat einen einfachen Grund: Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai in seinem Urteil zur Auslandsüberwachung durch den BND festgestellt, dass das BND-Gesetz verfassungswidrig ist. Der Bundesnachrichtendienst muss sich bei seinen weltweiten Überwachungsaktivitäten an deutsche Grundrechte halten. Bis spätestens Ende 2021 soll das BND-Gesetz grundlegend überarbeitet werden. Bereits jetzt wird im Kanzleramt unter Hochdruck daran gearbeitet.

„Im alten Gefüge stecken geblieben“

Noch ist unklar, was für den BND dabei herauskommt. Ein heikler und bislang wenig beachteter Aspekt: Auch die Kontrolle des BND wird sich durch das Urteil verändern – manche sprechen sogar von einer „kleinen Revolution“ in diesem Bereich. Und einige Akteure haben bereits eine genaue Vorstellung, wie diese aussehen müsste.

Daniel Moßbrucker hat für „Reporter ohne Grenzen“ an der Klage gegen das BND-Gesetz mitgearbeitet. Er sagt: „Die Geheimdienste haben durch die Digitalisierung und Internationalisierung einen enormen Machtzuwachs erfahren. Sie können per Knopfdruck große Teile der Weltbevölkerung überwachen.“ Die Kontrollgremien seien jedoch in ihrem alten Gefüge stecken geblieben.

Derzeit überwachen mehrere Gremien die Arbeit des BND.

Doch die bloße Anzahl an verschiedenen Instanzen bedeutet Experten zufolge nicht, dass diese auch effektiv arbeiten können. „Bisher haben wir eine Kontrolle, die nicht genug darf, blinde Flecken hat und personell völlig unterbesetzt ist“, sagt Moßbrucker. Die G10-Kommission etwa ist mit Ehrenamtlichen besetzt. Sie hätten zwar juristische Kompetenzen, sagt Moßbrucker, „aber den Quellcode der technischen Systeme des BND dürften sie nicht überprüfen können – und damit auch nicht, ob die Datenverarbeitung gesetzeskonform abläuft“.

Dazu kommt die schiere Menge an Daten, die der BND erhebt. „Der BND durchforstet den Internetverkehr mithilfe von Suchbegriffen, sogenannten Selektoren“, sagt Moßbrucker. Das seien vermutlich Hunderttausende, genaue Zahlen sind nicht bekannt. Die enormen Datenmassen könne man mit der „Mini-Kontrolle“ gar nicht überprüfen, kritisiert er. Moßbrucker verweist darauf, dass 2017 etwa herauskam, dass der BND mithilfe von Selektoren Journalistinnen und Journalisten der New York Times, der BBC und Reuters überwachte.

Informationen von Partnerdiensten sind besonders geschützt

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) moniert unterdessen, dass die Kooperation zwischen den Kontrollgremien stark eingeschränkt ist. Auch die „Third-Party-Rule“ erschwere die Kontrolle. Diese besagt, dass der BND Informationen, die er von ausländischen Geheimdiensten bekommen hat, nicht ohne deren Einverständnis weitergeben darf. „Unter Verweis auf diese Regel konnte der BND den Zugriff auf Daten verweigern, die er von ausländischen Nachrichtendiensten erhalten hat, die jetzt aber Teil der in Deutschland über eine Person gespeicherten Erkenntnisse sind“, sagt Kelber. Geheimdienstexperte Moßbrucker glaubt, dass sich in diesem Bereich künftig fundamental etwas ändern muss.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und BND-Chef Bruno Kahl.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und BND-Chef Bruno Kahl.

© dpa / Michael Sohn

Aber wie soll die BND-Aufsicht künftig funktionieren? Laut Urteil muss es eine gerichtsähnliche Kontrolle geben – diese würde über die Rechtmäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen entscheiden. Hier ist Moßbrucker der Überzeugung, dass es nicht mehr Gremien, sondern weniger geben sollte. Mit seinem Kollegen Thorsten Wetzling hat er für die „Stiftung Neue Verantwortung“ eine Studie erstellt, in der vorgeschlagen wird, das Unabhängige Gremium und die G10-Kommission zusammenzulegen zu einem neuen „Rat der deutschen Nachrichtendienstkontrolle“.

Sehen BND-Mitarbeiter nur so viel wie sie dürfen?

Auf der anderen Seite steht künftig eine administrative Kontrolle, die stichprobenartig die Prozesse beim BND auf Rechtmäßigkeit überprüft. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber wirbt dafür, diese administrative Kontrolle nicht bei einer vollständig neuen Behörde ansiedeln, sondern bei seiner eigenen. „Wir haben bereits erfahrenes und entsprechend sicherheitsüberprüftes Personal, das schon heute in der Kontrolle beim BND eingesetzt wird“, sagte er dem Tagesspiegel.

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Zudem habe seine Behörde einen Überblick über die Systemlandschaft des BND. „In unserer Praxis gehen unsere Mitarbeiter zum BND und lassen sich dort erklären sowie, warum bestimmte Daten gespeichert sind“, erklärt Kelber. Sie kontrollierten, ob Löschfristen eingehalten werden oder ob die jeweiligen BND-Mitarbeiter wirklich nur so viel sehen können, wie sie auch dürfen. Auch nehme seine Behörde Einblick in Funktionalitäten von Systemen und bei Bedarf in den Source-Code von Programmen.

Wenn Kelbers Behörde für die administrative Kontrolle zuständig wäre, wäre aus der Sicht von Geheimdienstexperte Moßbrucker der massive Schritt nach vorne, dass der BfDI auf alles Zugriff hätte – auch auf die Daten, die von ausländischen Partnerdiensten.

Die Befürchtung: Zu viel Bürokratie

In Sicherheitskreisen herrscht Anspannung. „Die Kontrolle darf nicht so aufwändig werden, dass der BND seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen kann“, heißt es. Wenn für das Abhören von Ausländern im Ausland künftig das gleiche Genehmigungsverfahren durchlaufen werden müsste wie bei deutschen Staatsangehörigen, sei der Aufwand kaum zu überblicken.

Neben dem bürokratischen Aufwand sorgt man sich in Sicherheitskreisen aber vor allem um die Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten. Diese hatten sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beunruhigt beim BND gemeldet. Durch das Urteil gelten strengere Voraussetzungen, wenn der BND Daten an ausländische Partner weitergeben will.  

Zudem ist der BND selbst auf Informationen angewiesen, die er von ausländischen Nachrichtendiensten bekommt. „Wenn Kontrolleure künftig Zugang zu diesen Daten haben sollen, dann müssen unsere Partner zustimmen – oder der Austausch ist nicht mehr möglich“, sagt ein Sicherheitsexperte. Als Voraussetzung für die Zustimmung gelte, dass die Kontrolleure ähnlichen Geheimhaltungspflichten unterworfen sind wie die BND-Mitarbeiter selber.

Das würde also auf die zuständigen Referate beim Bundesdatenschutzbeauftragten zukommen, wenn er diesen Teil der Kontrolle übernehmen soll. Ob aber ausländische Partnerdienste diese Art von Kontrolle akzeptieren würden, gilt als fraglich. Vielleicht braucht es also doch eine ganz neue Stelle. Es wird noch ein arbeitsreicher Sommer für die Juristen im Bundeskanzleramt und auch für den BND.

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