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Eine weitere Spiegel-Affäre? Der Spiegel erstattete am Freitag Anzeige bei der Bundesanwaltschaft "wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Verletzung des Fernmeldegeheimnisses".

© AFP_Johannes/Eisele

Spionage: Spiegel erstattet Anzeige wegen Spionageverdachts

Die CIA soll das Bundeskanzleramt 2011 gewarnt haben, ein ranghoher Beamter gebe Informationen an den "Spiegel" weiter. Der Beamte wurde kaltgestellt. Der Spiegel will nun neue Belege haben - und klagt.

Von Anna Sauerbrey

Der „Spiegel“ hat am Freitag Anzeige bei der Bundesanwaltschaft erstattet. Der Verdacht: Das Nachrichtenmagazin soll Opfer „geheimdienstlicher Tätigkeit“ geworden und die Kommunikation von Journalisten abgehört worden sein – mutmaßlich von der CIA. Hat die Republik eine weitere „,Spiegel‘-Affäre“?

Die Geschichte ist in jedem Fall brenzlig für das Bundeskanzleramt. Hintergrund ist der Fall Hans Josef Vorbeck. Vorbeck  ist seit 1992 Beamter im Bundeskanzleramt. Er war bis 2011 für die Terrorismusabwehr zuständig und Stellvertreter von Geheimdienstkoordinator Günter Heiß. Im Jahr 2011 beauftragte der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) ihn mit anderen Aufgaben, er sollte die BND-Geschichte aufarbeiten. Man kann sagen: Er wurde kaltgestellt.

Ronald Pofalla stellt Hans Josef Vorbeck 2011 kalt

Anfang Mai hatte die „Bild am Sonntag“ berichtet, kurz vor Vorbecks Versetzung habe der ranghöchste CIA-Agent in Deutschland das Kanzleramt über ein Leck unterrichtet. Nach Informationen des „Spiegel“ wurde das Magazin in diesem Zusammenhang  konkret genannt.  Später soll auch der heutige Beauftragte für die Geheimdienste, Klaus-Dieter Fritsche, gegenüber Parlamentariern bestätigt haben, dass es Hinweise auf Lecks aus den USA gab.

Die Geschichte zeigt: Das Kanzleramt hatte womöglich schon 2011 Hinweise darauf, dass die CIA illegal in Deutschland tätig war , beim Spiegel oder sogar im eigenen Haus. Wusste die Bundesregierung also schon weit vor Snowden und vor den Veröffentlichungen durch Wikileaks in dieser Woche von der US-Spionage in Deutschland – und warum reagierte sie nicht? Erst 2014 wurde der Chef der CIA in Deutschland ausgewiesen.

Hinzu kommt: Sollte das Kanzleramt aufgrund von Hinweisen gehandelt haben, die die CIA im Kanzleramt selbst oder aber beim Spiegel gesammelt hat, hätte es die illegal erhobenen Informationen auch noch selbst verwendet. Ein pikanter Vorgang, auch wenn das Kanzleramt keine formalrechtlichen Schritte gegen Vorbeck angestrengt hat, er blieb im Rang eines Gruppenleiters und wurde lediglich mit anderen Aufgaben betraut.

Wusste das Bundeskanzleramt also schon 2011 von der US-Spionage in Deutschland

Bislang liegt vor allem eine Indizienkette vor. Mehrere als geheim eingestufte Dokumente belegen laut „Spiegel“, dass sich amerikanische Geheimdienste besorgt über Vorbecks Kontakte  zum „Spiegel“ äußerten. Sie sahen offenbar ihre eigene Tätigkeit in Gefahr. Es fehlt allerdings der letzte Beleg, ob und wer abgehört wurde: Vorbeck selbst im Kanzleramt oder das Magazin.

War in einem früheren Leben einmal Klavierlehrer: Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Günter Heiß, vor seiner Vernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag.
War in einem früheren Leben einmal Klavierlehrer: Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Günter Heiß, vor seiner Vernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag.

© Soeren Stache/dpa

Das Kanzleramt ist in der Causa Vorbeck höchst sensibel. Das zeigt ein Eklat im NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag, wo der Fall Thema der Vernehmungen von Heiß und  Ex-Kanzleramtschef  Pofalla war (hier zum Protokoll von Netzpolitik.org). Die Abgeordneten Martina Renner (Die Linke) sowie Konstantin von Notz und Christian Ströbele von den Grünen fragten sowohl Heiß als auch Pofalla nach dem Fall. Mehrfach intervenierte der Vertreter der Bundesregierung, der stets bei den Vernehmungen anwesend ist. Zuerst versuchte er, eine Aussage dazu mit Verweis zu verhindern, die Frage sei nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt, dann sagte er, Vorbecks Persönlichkeitsrechte stünden einer Antwort entgegen. Beides wurde vom sonst eher umsichtig agierenden Vorsitzenden Patrick Sensburg (CDU) vehement zurückgewiesen. Nach langem Hin und Her gab Heiß nach Absprache mit dem Kanzleramtsvertreter  indirekt zu, dass es Hinweise gegeben habe: „Wir hatten keinen hinreichend konkreten Verdacht, als dass man hätte Maßnahmen daran knüpfen können.“ Ronald Pofalla sagte lediglich , der Fall sei ihm bekannt, mehr wollte er dazu öffentlich nicht sagen. Weil die öffentliche Vernehmung bis Mitternacht ging, wird Pofalla womöglich erst nach der Sommerpause im September in geheimer Sitzung vernommen.

Im NSA-Untersuchungsausschuss versuchte der Geheimdienstkoordinator eine Aussage dazu zu vermeiden

Schon im Jahr 2011 war das Parlamentarische Kontrollgremium auf den Fall Vorbeck aufmerksam geworden. Das Gremium erkundigte sich dazu bei Kanzleramtsvertretern, dass der Hinweis von den Amerikanern kam, wurde aber laut Medienberichten damals nicht erwähnt. Vorbeck selbst sagte am 11. Juni 2015 im NSA-Untersuchungsausschuss: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Das ist vier Jahre her. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Das gehört auch nicht zum Untersuchungsauftrag.“ (hier zum Protokoll von Netzpolitik.org)

Der Grüne Hans-Christian Ströbele kündigte an, dennoch nicht locker zu lassen: „Wir bohren weiter. Das ist für unseren Untersuchungsauftrag von zentraler Bedeutung. Wenn da etwas dran ist, dass ein amerikanischer Geheimdienst beteiligt war am Ausspähen von Personen im Kanzleramt oder beim ,Spiegel‘, kann man das nicht hinnehmen.“

Ein Regierungssprecher teilte  äußerte sich bis Redaktionsschluss   nicht lediglich mit, man äußere sich zu einzelnen Personalfragen grundsätzlich nicht öffentlich und zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten nur gegenüber dem Bundestag.

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