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Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken geben nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung zum SPD-Vorsitz im Willy-Brandt-Haus vor der Statue von Willy Brandt ein Interview.

© Kay Nietfeld/dpa

SPD wählt Esken und Walter-Borjans: Ach, wär' doch nur Friedrich Merz Vorsitzender der CDU!

Mit der Entscheidung für Esken und Walter-Borjans schafft sich die SPD viele neue Probleme. Was ihr jetzt vor allem fehlt, ist Friedrich Merz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Das werden ungemütliche Zeiten für die Koalition, die Deutschland noch regiert. Der Sieg des Duos Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken bei der Abstimmung über die künftige SPD-Führung ist überraschend deutlich und bedeutet gerade deshalb Unruhe im Regierungslager.

Eine Unruhe, die bis zum Bruch der Koalition reichen kann. Die beiden sozialdemokratischen Wahlsieger haben ihre Kritik am derzeitigen Regierungsbündnis immer wieder so massiv vorgetragen, dass man davon ausgehen muss, dass sie vor allem deshalb so viele Stimmen bekamen. Die Position vor allem von Olaf Scholz ist geschwächt, nicht nur in der Partei. Ein Vizekanzler, den die eigenen Leute so desavouieren, ist auch als Minister angeschlagen.

Die SPD-Mitglieder verabschieden sich mit dem Votum für Walter-Borjans und Esken auch von den Mühen der Ebene in einer parlamentarischen Demokratie. In der gibt es eben nicht nur Neigungen, sondern auch Pflichten. Diese beiden Politiker, die mit relativ geringer Erfahrung in die Berliner Politik einsteigen wollen, möchten den geltenden Koalitionsvertrag neu verhandeln.

Warum die CDU/CSU-Mitglieder der Koalitionsregierung diesem Ansinnen zustimmen sollten, bleibt ein Rätsel. Sie stehen ja selber unter dem Druck des konservativen Flügels der Union, dem schon der jetzige Koalitionsvertrag zu sozialdemokratisch angehaucht vorkommt.

Aber Angela Merkel kann es kühl auf den Bruch der Koalition ankommen lassen. Eine von ihr geführte Minderheitsregierung ist kaum zu stürzen. Wo sollte die SPD auch die Stimmen für ein konstruktives Misstrauensvotum herholen? Die Grünen, ohne die das nicht ginge, wollen Neuwahlen.

Esken und Walter-Borjans sind gewählt: Die Konflikte sind programmiert

Dass die SPD zutiefst zerrissen ist, wusste man auch schon vor dem Abstimmungsmarathon, mit dem sich die Partei Klarheit über ihre künftige Spitze verschaffen wollte. Viele, vor allem jüngere Sozialdemokraten, rebellieren gegen die große Koalition, die ihnen vermeintlich ihre Identität raubt.

Bei objektiver Wertung müssten sich die Mitglieder der SPD freilich eingestehen, dass sie erstaunlich viel erreicht haben in dieser ungeliebtesten aller bisherigen Koalitionen. Der sozialdemokratischen Fraktion ist das deutlich bewusster als den Funktionären und vor allem als den Jusos.

Die Frauen und Männer um den SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich haben die Nase voll davon, dass ihre Arbeit immer wieder schlecht geredet wird. Sie sind Pragmatiker und schauen sich die Wahlumfragen an und rechnen nach, wie viele von ihnen bei einer vorgezogenen Neuwahl die Mandate verlieren würden. Stand heute wäre es ein glattes Drittel.

Weitere Informationen zum Thema:

- Lesen Sie hier unser Liveblog zur Entscheidungin der SPD

- Lesen Sie hier unsere Porträts von Saskia Esken und Klara Geywitz

- Unser jüngstes Interview mit Juso-Chef Kevin Kühnert

- Wie die CDU auf den Mitgliederentscheid reagieren könnte

Die Union läuft hingegen weiter als gut geölte Machtmaschine

Noch etwas sollte eigentlich der SPD die Lust am Totalkrach und dem Bruch der Koalition vertreiben. Die Union, ihr Gegner, hat sich wie immer beim Parteitag in Leipzig als gut geölte Maschine zum Machterhalt erwiesen.

Nach Merkel wird die Union nach rechts rücken, ob unter AKK oder unter Merz oder unter wem auch immer. Der Trend zur Mitte scheint für eine Weile vorüber zu sein, von beiden Seiten. Das wird zu einer besser sichtbaren Differenzierung der Parteien führen. Für die SPD ist das eher eine Chance.

schreibt NutzerIn Gophi

Die CDU-Parteichefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, hat dem einzigen ernsthaften Konkurrenten in den eigenen Reihen knallhart die Entscheidung aufgezwungen – und der ist zurückgewichen. Friedrich Merz tritt nicht an. Nur gegen ihn aber hätte die SPD sozialdemokratische Ur-Instinkte in der eigenen Wählerschaft gegen Konservative und Wirtschaftsliberale mobilisieren können.

Man ahnt schon, was die SPD nach dem gestrigen Votum und vor dem Parteitag jetzt als Parole ausgibt: Sie wird sich ab Freitag ihre Welt schön reden.

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