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Bautzen-OB Alexander Ahrens und seine Amtskollegin aus Flensburg, Simone Lange.

© Sebastian Willnow/dpa

SPD-Vorsitzenden-Casting: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“

Alexander Ahrens ist SPD-Oberbürgermeister in der AfD-Hochburg Bautzen. Jetzt will er Parteichef werden - und als erstes die Groko sprengen.

Alexander Ahrens (53)  hat Jura und Sinologie studiert und lange in China gelebt, bevor es ihn der Liebe wegen nach Sachsen verschlug. In der Elternzeit reifte die Idee, Oberbürgermeister von Bautzen zu werden, er tingelte von Tür zu Tür und eroberte das Amt in der Hochburg der AfD. Er trat 2017 zum zweiten Mal in die SPD ein (erste Mitgliedschaft von 1992 bis 2001) und sagte von Anfang an, dass es mit Andrea Nahles schiefgehen werde und dass die Partei einen echten Neustart brauche – mit Austritt aus der großen Koalition. Er tritt an mit der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange. Am Mittwoch startet die erste von 23 Regionalkonferenzen im SPD-Vorsitzenden-Casting – im Interview mit dem Tagesspiegel erläutert Ahrens, was sich ändern muss – auch im Umgang mit der AfD.

Herr Ahrens, glauben Sie Olaf Scholz und die anderen besiegen zu können?

Wenn wir chancenlos wären, würden wir nicht antreten. Mit einem so großen Bewerberfeld gibt es natürlich eine gewisse Verlockung, sich auf bekannte Namen zu stürzen. Die Regionalkonferenzen bieten aber die Möglichkeit zu zeigen, wir beide als Oberbürgermeister stehen für die Begriffe Glaubwürdigkeit und unmittelbaren Kontakt. Das ist etwas, was uns in Berlin verloren gegangen sind.

Warum ist Scholz der falsche Kandidat aus Ihrer Sicht?

Der steht für ein Weiter So, für ein Verwalten der SPD. Der steht auch für die große Koalition. Wir haben damals keinen Regierungsauftrag bekommen. Auch das nehmen uns die Leute übel, dass zerstört die Glaubwürdigkeit. Das ist noch kein Signal für einen Aufbruch.

Wenn Sie gewinnen, führen Sie die SPD sofort aus der großen Koalition raus?

Na, aber ganz klar. Das geht gar nicht anders. Das wird auf dem Parteitag entschieden. Wir haben doch nicht mehr die Beinfreiheit, die für die Partei wichtigen Zukunftsfragen offen zu diskutieren: Klimaschutz, Europa. Wenn wir da über neue Wege sprechen, meldet sich immer sofort mindestens einer, der mit dem Koalitionsvertrag wedelt und sagt: Das steht hier doch gar nicht drin. Uns steht das Wasser nach dem Hals. Das Gefühl für die Themen der Menschen hat man eher auf der kommunalen Ebene. Ich glaube, das geht verloren, wenn man zu lange da im Raumschiff Berlin unterwegs ist. Da wird ganz viel in taktischen Maßstäben gedacht und leider in Maßstäben: Wie erhalte ich meinen Posten? Es geht nicht um die Frage Erneuerung, sondern um Veränderung: Wie gehen wir auf die Leute zu, wie gewinnen wir die Glaubwürdigkeit zurück. Ein Großteil der AfD-Wähler sind frühere Wähler der SPD. Die will ich wiederhaben.

Wie?

Es reicht nicht Wahlplakate aufzuhängen; „Blau muss runter – deshalb SPD“, wie es in Sachsen passiert ist. Wir müssen uns im Umgang mit der AfD auf die Sachebene beschränken. Wir können nicht die ganze Zeit die Reflexe fahren und sagen: Dass ist eine Partei, die mir überhaupt nicht passt. Stichwort Bundestagsvizepräsident. Na dann wählen wir einen Bundestagsvizepräsidenten von denen, die repräsentieren immerhin einen gewissen Anteil an Leuten, die sie gewählt haben. Ich gehe offen mit der AfD um, ich rede mit denen ganz normal. Wenn die sich daneben benehmen, positioniere ich mich entsprechend. Da ist nicht viel, was die liefern können. Wenn eine Partei 27 Prozent holt, kann ich doch nicht alle Wähler in die Ecke stellen – man muss klar aufzeigen: Da kommt nichts Brauchbares von der AfD. Daher werbe ich für mehr Entspannung und Mut.

Was wollen Sie innerparteilich verändern?

Wir müssen transparenter werden. Zum Beispiel den Arbeitsgemeinschaften, unseren Expertenrunden mehr Gehör geben. Der Proporz für Parteitage muss verändert werden – es kann nicht sein, dass Nordrhein-Westfalen mehr Stimmen hat als alle Ost-Landesverbände zusammen. Auch kleine Landesverbände müssen eine Stimme kriegen, um etwas verändern zu können. 

Sie sind ja auch selbst mal aus der SPD ausgetreten, weil sie nach einem Aufenthalt China sich im Arbeitskreis Außenpolitik nicht eingebunden fühlten…

Nicht eingebunden? Die wollten mich da gar nicht haben. Das war nur der letzte Tropfen, ich hatte zuvor schon das Gefühl, dass man wenig bewirken kann, vielen ging es nur um einen guten Listenplatz. 

Und politisch?

Die SPD ist bei vielen Menschen durch. Das hat auch immer noch mit Hartz IV und den Entwürdigungserfahrungen zu tun. Es geht nicht darum, eine soziale Hängematte für alle zu finanzieren. Der ganze Bereich Rente, die Grundrente wäre insbesondere für Ostdeutschland ein ganz wichtiges Signal. Das Thema Klimaschutz, wir müssen raus aus dieser Angst- und Lamentodebatten, wo liegen die Chancen, gerade bei der Elektromobilität. Und ganz wichtig Europa. Macron hat uns die Hand ausgestreckt und Frau Merkel hat sehr schmallippig darauf reagiert. Migration, Klimaschutz, das sind alles Themen, die können wir nur gemeinsam in Europa lösen. Dafür müssen wir auch Osteuropa mitnehmen.

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