zum Hauptinhalt
Gerhard Schröder gratuliert Wladimir Putin am 7. Mai 2018 zur Amtseinführung.

© Alexey DRUZHININ/SPUTNIK/AFP

SPD verhandelt Parteiausschluss des Ex-Kanzlers: So begann die Männerfreundschaft zwischen Putin und Schröder

Einst war Schröder Erfolgsgarant für seine Partei, heute gilt er bei seinen Genossen als gewissenlos und käuflich. Wie konnte es so weit kommen?

Gerhard Schröder selbst war nicht anwesend, als am Donnerstag in Hannover, seinem Wohnort, die mündliche Anhörung für sein Parteiausschlussverfahren aus der SPD begann. Für gewöhnlich werden frühere Bundeskanzler von ihren Parteien weit über ihre Amtszeit hinaus gefeiert. Doch bei Schröder ist es anders. Selbst Parteichefin Saskia Esken forderte ihn schon zum Rücktritt auf. Und der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thomas Kutschaty sieht keine Zukunft mehr für den Ex-Kanzler in der Partei.

Schröder habe „selbst entschieden, dass ihm die finanzielle und persönliche Abhängigkeit von Putin wichtiger ist als sein Einsatz für die SPD oder das Erbe seiner Kanzlerschaft“, sagte Kutschaty der „Rheinischen Post“. Er könne sich politisch nicht mehr vorstellen, wie „das ohne Cut zu einem guten Ende kommen soll“.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Vorwurf: „Ein Ex-Bundeskanzler, der im begründeten Verdacht steht, käuflich von einem Kriegstreiber zu sein, schadet sich selbst, seiner Partei und unserer Demokratie.“ Schröder ist in seinem Ansehen tief gefallen.

Denn lange Jahre ist Schröder das Gesicht der SPD gewesen, ein Erfolgsgarant und Stimmenfänger – erst als Ministerpräsident in Niedersachsen, dann als Bundeskanzler. Sein Nein zum Irak-Krieg mag ihm Sympathien eingebracht haben, sein Ja zu Hartz IV Kritik. Im Rückblick aber ist es die Politik des „Russlandverstehers“, die das Bild von Schröders Kanzlerschaft prägt.

So sehr, dass viele Genossen Schröder jetzt am liebsten loswerden wollen. Wie konnte es so weit kommen?

Schröders enger Draht zu Wladimir Putin stammt aus einer Zeit, in der Russlands Präsident im Bundestag noch mit Standing Ovations gefeiert wurde. „Das war eine andere Zeit, eine Zeit der Hoffnung, dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts etwas zusammenwächst“, erinnerte sich Schröders Ex-Frau, Doris Schröder-Köpf, im März, nach Russlands Angriff auf die Ukraine. „Das hat mit heute nichts zu tun, heute ist es eine andere Welt, leider.“

Schröder und Putin verkündeten im Jahr 2000 Neustart der deutsch-russischen Beziehungen

In der alten Welt, im Jahr 2000, verkünden Schröder und Putin einen Neustart der deutsch-russischen Beziehungen. Es ist ein historischer Schritt, ein Zeichen der Versöhnung, und auch schon damals ist ein zentrales Thema: das Gas. Im Beisein der Spitzenpolitiker werden Verträge über mehrere Milliardenprojekte der deutschen Wirtschaft mit dem russischen Energiekonzern Gazprom unterschrieben.

Keine zwei Wochen vor der Bundestagswahl im Jahr 2005 sind Schröder und Putin auch dabei, als ein Konsortium großer Energiekonzerne den Bau einer Gaspipeline auf dem Grund der Ostsee vereinbart – die heute wegen Wartungen stillgelegte Nord Stream 1. Deutschland sichere seine Energieversorgung in Partnerschaft mit Russland auf Jahrzehnte, erklärt Schröder seinerzeit.

Kaum nicht mehr Kanzler, schon in der Nord Stream AG

Kurz darauf verliert er die Wahl, übergibt das Kanzleramt im November an Angela Merkel – und ist schon im Dezember im Gespräch für ein Engagement bei Gazprom, das er im März 2006 auch annimmt: als Vorsitzender des Gesellschafterausschusses beim Betreiber der neuen Ostsee-Pipeline, der Nord Stream AG.

Umgehend werden Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft laut. Doch Schröder hält an der Zusammenarbeit fest, und das über Jahre.

Es folgen Engagements als Präsident des Verwaltungsrats bei Nord Stream 2 (ernannt 2016), als Aufsichtsrat beim russischen Ölkonzern Rosneft (2017-2022) und als Aufsichtsrat beim britisch-russischen Ölkonzern TNK-BP (2009-2011), der mittlerweile zu Rosneft gehört.

Schröders Nähe zu den Konzernen wird dabei immer wieder kritisiert. Die Bereitschaft, sich auf russisches Gas zu verlassen, ist zu dieser Zeit allerdings sowohl in SPD als auch bei Kanzlerin Merkel hoch.

Nach der Annexion der Krim wollte Schröder Putin nicht verurteilen

2014 stellt Schröder nach Russlands Annexion der ukrainischen Krim zwar fest, Putin verstoße damit gegen das Völkerrecht. Dennoch wolle er Putin, der „Einkreisungsängste“ habe, nicht verurteilen. Eine Vermittlerrolle lehnt er ab. Den Posten bei Nord Stream behält er.

Relativ russlandfreundliche Äußerungen nach Angriff auf die Ukraine

Selbst nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine im Februar 2022 dauert es Monate, bis Schröder sich bei Rosneft zurückzieht. Sein Büro und seine Mitarbeiter ist der Altkanzler da nach einem Bundestagsbeschluss schon los, sein Vermittlungsversuch in Moskau, ohne Abstimmung mit der Bundesregierung, gescheitert.

Auch einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom lehnt er ab. Doch seine Äußerungen zum Ukraine-Krieg bleiben vergleichsweise russlandfreundlich. So teilt Schröder zwar mit, es sei die „Verantwortung der russischen Regierung“, den Krieg zu beenden. Die Verbindungen zu Russland dürften dennoch nicht komplett gekappt werden.

Schröder hält Draht zu Putin aufrecht

Diese Linie hält Schröder nach wie vor: Erst vor wenigen Tagen sagte der 78-Jährige der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, er wolle seinen Draht zu Putin weiter aufrechterhalten und glaube nicht an eine militärische Lösung in der Ukraine.

Gerhard Schröder am 28. Oktober 2021 beim Eurasian Economic Forum in Verona.
Gerhard Schröder am 28. Oktober 2021 beim Eurasian Economic Forum in Verona.

© IMAGO/SNA

„Der Krieg ist nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden“, wird Schröder darin zitiert, garniert mit einiger Kritik an der Ukraine.

Viele in der SPD sind davon tief enttäuscht, enttäuscht von ihrem markigen, aber erfolgreichen Idol, das sie einst von Wahlsieg zu Wahlsieg führte. „Traurig“ – dieses Wort ist in der Partei häufiger zu hören, wenn es darum geht, wie sich Schröder heute verhält.

Gleich 17 formgerechte Anträge auf den Parteiausschluss zeugen von dieser Enttäuschung, dazu weitere, die den Vorgaben nicht entsprachen. Eine Entscheidung über eine Parteistrafe – eine Rüge oder mehr – gibt es an diesem Donnerstag wohl noch nicht. Die Schiedskommission will sich dazu erst im Laufe der nächsten drei Wochen äußern. Juristisch aber, das ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, gilt ein Ausschluss des Altkanzlers aus der SPD als äußerst unwahrscheinlich. (dpa, AFP)

Christopher Weckwerth - dpa

Zur Startseite