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SPD Vorsitzende Andrea Nahles.

© imago/Emmanuele Contini

SPD sucht Expertenrat: Daten sind Diebstahl!

Dass die SPD datengetriebene Innovationen fördern will, ist gut. Doch bis zum Ende gedacht ist die Sache noch nicht. Ein Kommentar.

Wow, die altehrwürdige SPD entdeckt den Charme der Daten. Die Partei, die derzeit nach einem neuen Fundament ihres Daseins sucht, will mit einer pointierten Initiative datengetriebene Innovationen in Deutschland fördern. Ihre Vorsitzende Andrea Nahles hat dafür zur Aussprache in die Berliner Parteizentrale geladen.

An diesem Donnerstag soll ein Kreis von Experten über einen Vorstoß beraten, der im Kern eine im besten Sinne des Wortes sozialistisch anmutende Forderung enthält – „Daten für alle“. Das hehre Ziel: Unternehmen, der Staat, wir alle, sollen fleißig unsere Daten zur Verfügung stellen, damit es uns allen besser geht.

Der Hebel dafür soll ein Gesetz werden, das Innovation stärken will, indem es alle Institutionen ab einer gewissen Größe auffordert, ihre Datenschätze der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Davon sollen dann findige Entrepreneure profitieren, die daraus nützliche Anwendungen entwickeln, für Arbeit, Gesundheit, Bildung und das Wohlergehen überhaupt.

Also die Partei, die den Datenschutz ausweitet, das Urheberrecht verschärft, die Veränderung der Innenstädte durch den E-Commerce kritisiert, möchte ausgerechnet die disruptiven Kräfte der Datenindustrie stärken? Tatsächlich, so kann man es lesen. Kern der Initiative ist ein vernünftiger Gedanke aus der Sharing-Bewegung. Die Datenspuren der Menschheit sind der Sauerstoff des Fortschritts. Sozialisieren wir sie, könnten wir schneller vorankommen.

Zu befürchten ist allerdings, dass die Initiative eine plakative Forderung aufwerfen möchte, die Diskussion über die Konsequenzen aber lieber vertagt. Denn wenn die Politik es ernst meint mit datengetriebener Innovation, muss sie auch bereit sein, die Folgen zu tragen. Und die sind widersprüchlich.

Von wegen, meine Daten gehören mir

Wer Innovationen fördern will, darf die Erhebung von Daten nicht behindern. Das haben die Initiatoren auch erkannt und in einem Debattenpapier so festgehalten. In der Praxis aber bedeutet das einen radikalen Schwenk. Gemäß der alten Losung: Eigentum ist Diebstahl. Von ihren Datenschätzen per Zwang enteignet werden sollen eben nicht nur datensammelnde Konzerne, sondern faktisch die Bürger selbst. Von wegen, meine Daten gehören mir.

Sicher, vergesellschaftet und zur Nutzung freigegeben werden sollen Daten nur in anonymisierter Form. Doch genau damit erzielen Datenkonzerne schon heute Milliardengewinne. Nun sollen Tausende neuer Unternehmen hinzukommen. Wer es ernst meint mit der Forderung „Daten für alle“, muss daher dem Bürger bewusst machen, dass die Nutzung seiner Daten nicht den Untergang der Freiheit bedeutet, sondern notwendige Bedingung für den Fortschritt ist. Eine mutige Position – nur in SPD-Kreisen kaum mehrheitsfähig.

Noch bedeutender ist ein weiterer Widerspruch: Innovation ist nicht allein die Verbesserung des Bewährten, des Bestehenden. Wirkliche Neuerung bedeutet gleichzeitig auch Disruption. Es bedeutet FinTechs gegen Sparkassen, Elektroautos gegen die Benzinindustrie, Facebook gegen alte Medien. Wo neue Arbeitsplätze entstehen, gehen alte verloren. Wo Gewinner wachsen, gibt es leider auch Verlierer.

„Daten für alle“ zu fordern, ist darum wohlfeil. Disruption zu gestalten, mehr Anreize zur Veränderung zu setzen und soziale Härten abzufedern – das ist die eigentliche Zukunftsaufgabe. Und die ist noch viel schwieriger.

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