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Johannes Kahrs (SPD) ist seit 1998 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Hamburg Mitte.

© promo

SPD-Kandidat Johannes Kahrs: "Wenn man die AfD auf Twitter kritisiert, wird man mit Hass überschwemmt"

Kein Bundestagskandidat twittert so viel wie Johannes Kahrs. Im Interview erzählt er, warum er das tut und warum er glaubt, dass es bei der AfD nicht mit rechten Dingen zugeht.

Von Hendrik Lehmann

Über die letzten acht Wochen Wahlkampf haben wir analysiert, wie aktiv die Bundestagskandidaten auf Social Media waren.

Kein Bundestagskandidat twittert so viel wie Sie, Herr Kahrs. Warum tun Sie das?

Ich habe im Wahlkampf nicht mehr getwittert als sonst. Ich finde Twitter wesentlich aufregender, informativer und lebendiger als zum Beispiel Facebook.

Aus welchen Menschen besteht Ihr Netzwerk auf Twitter? Wie setzt sich ihre Blase zusammen? 

Das ist eine wilde Mischung. Ich folge vielen Kollegen aus dem Bundestag, Mitglieder anderer Parteien, Journalisten und vor allem auch Auslandsjournalisten. Ich schaue, dass ich der englischsprachigen Presse stark folge. Gerade in den Präsidentschaftswahlen war das schwer interessant. Man bekommt einfach nochmals ein breiteres Grundverständnis von Sachen, die gerade passieren. Das schätze ich sehr. Aber ich folge auch allen möglichen Menschen, immer, wenn ich interessant finde, was sie so posten. Was ich auch sehr schätze, ist dass man den Kontakt zu ganz vielen Leuten hat, aber in Echtzeit. 

Kommunizieren Sie auch direkt mit einzelnen Wählern?

Klar. Manche melden sich häufiger als andere. Aber viele schreiben öffentlich an mich oder schicken mir eine persönliche Nachricht, wenn sie etwas wissen wollen. Ich beantworte das dann. Außerdem bewerbe ich da meine Veranstaltungen.

Machen Sie das alles selbst oder ihr Wahlkampfteam?

Geschätzt 90 bis 95 Prozent mache ich alleine. Und wenn mein Büro was macht, dann läuft das unter „Bürotweet“. Damit jeder immer weiß, mit wem er gerade redet. 

Sie twittern teils 30-60 mal am Tag. Ganz schön viel Arbeit, wenn Sie das meist selbst machen. 

Ich sitze ja nicht da und arbeite das ab. Ich mache das, wenn ich im Zug sitze von A nach B, oder wenn ich U-Bahn fahre oder S-Bahn zum nächsten Termin. Das läuft immer so zwischendurch. Auch, wenn man in Veranstaltungen ist, zu denen man gerade nichts beitragen kann zum Beispiel.

Diese zehn Bundestagskandidaten haben in den letzten acht Wochen am häufigsten getwittert. Mehr dazu in unserem Live-Social-Media-Rennen.

Sie beschreiben die Debatte auf Twitter sehr positiv…

Das Ganze ist natürlich eine sehr hektische Veranstaltung. Wenn man mal einen AfD-kritischen Post loshaut oder sich mit deren Führungspersonal kritisch auseinandersetzt, dann wird man überschwemmt mit wüsten Pöbeleien von Leuten, die einen beschimpfen und persönlich werden. Am Anfang habe ich das noch beantwortet, bis ich gemerkt habe, dass das sinnlos ist.

Warum?

Wenn man auf deren Profilseiten geht, sieht man, dass sie nicht nur gegen einen selbst, sondern auch gegen andere Leute ständig aggressiv sind. Und dass ihnen gerade mal drei, vier Leute folgen. Die werden dann einfach geblockt. Das ist inzwischen eine Art von Notwehr, ohne die ich nicht mehr klarkomme.

Ist der Ton auf Twitter in letzter Zeit noch rauer geworden?

Der ist in den letzten zwei Jahren deutlich rauer geworden. Insbesondere, wenn es um Themen der inneren Sicherheit geht, um Martin Schulz, oder eben, wenn man kritische Posts zu diesen AfD-Vollpfosten raushaut.

Nun hat die AfD - im Gegensatz zu den anderen Parteien - auf Twitter überdurchschnittliche viele Follower, die auch noch überdurchschnittlich oft die Posts von AfD-Politikern liken und retweeten.

Ich glaube nicht, dass das mit rechten Dingen zugeht. Entweder bezahlen die dafür oder sie haben da Leute sitzen, die nichts Anderes tun, als die Reichweite mit Fake-Profilen zu erhöhen. Denn was bei mir an solchen Fake-Profilen auftaucht, ist einfach unglaublich. Kein Tag, an dem ich nicht 30 oder 40 blocke, manchmal bis zu 100. Das ist teilweise richtig schlimm.

Was könnte helfen, um den Hass auf Twitter zu bändigen?

Der echte Name. Wenn verpflichtend Klarnamen genutzt werden müssten, würde das wahrscheinlich viel ändern.

Wie wichtig glauben Sie, ist die Aktivität in den Sozialen Netzwerken inzwischen für den Wahlausgang?

Es gibt immer mehr Leute, die sich hauptsächlich dort bewegen, die man nur über diese Kanäle erreicht. Deswegen ist das inzwischen auch sehr wichtig, um eine Wahl zu gewinnen. Egal für wen.

Das Interview führte Hendrik Lehmann. Mehr zur Arbeit von Johannes Kahrs in den letzten vier Jahren finden Sie in unserem interaktiven POLITIKER-CHECK. Mehr zu den aktivsten Bundestagskandidaten auf Social-Media finden Sie immer aktuell bei unserem Social-Media-Rennen.

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