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Archiv: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer.

© Arne Dedert/dpa

Update

„SPD ist gerade in einem sehr schlechten Zustand“: Malu Dreyer und Linke offen für Koalition auf Bundesebene

Im Interview denkt Dreyer laut über eine Koalition mit der Linken nach - und diese ist nicht abgeneigt. Kritik äußert Dreyer am Umgang mit Nahles und Merkel.

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer hat sich offen für eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene gezeigt. "Sollte es eine Mehrheit links von der Union geben, müssen wir das Gemeinsame suchen und das Trennende analysieren", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Unser Anspruch muss sein, ein Bündnis anzuführen."

"Natürlich hat die Linkspartei teilweise Positionen, die wir nicht teilen", führte Dreyer aus. "Einige sind für uns auch nicht verhandelbar, aber Koalitionspartner sind nie das gleiche wie man selbst. Dann muss man sich eben verständigen." Sie sei "gespannt" auf Rot-Rot-Grün in Bremen.

Positives Echo von links

Führende Linke-Politiker begrüßten die Äußerungen. Sie mache Hoffnung darauf, dass nach der kommenden Bundestagswahl konstruktive Gespräche über neue linke Mehrheiten möglich seien, sagte Parteichefin Katja Kipping der dpa. Mit einer starken Linken und einer hoffentlich wieder erstarkenden SPD könne man gemeinsam dafür sorgen, "dass soziale Gerechtigkeitsthemen wie Arbeit, Rente und Gesundheit nicht von einer schwarz-grünen Mehrheit untergebuttert werden". Die Große Koalition sei am Ende. "Der kommende Bundestagswahlkampf, wann immer er stattfindet, wird von der Frage geprägt sein: Was folgt auf die Große Koalition?"

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Linke-Chef Bernd Riexinger sagte Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Nach den Jahren in der großen Koalition mehren sich jetzt auch in der SPD die Stimmen, die wieder eine linke Politik wollen."

Der Berliner Kultursenator und frühere Linke-Landeschef Klaus Lederer bezeichnete Dreyers Vorstoß als "seit Jahren überfällig". "Angesichts der derzeitigen Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft sollte es eine Normalität sein, dass man über potenzielle Kooperationsmöglichkeiten unbefangen und ohne Schaum vorm Mund redet", sagte Lederer der dpa in Berlin.

Auch bei der bisher zwischen SPD und Linken problematischen Außenpolitik muss aus Sicht Lederers nach möglicherweise fehlender Übereinstimmung gesucht werden. "Und dann muss man gucken, wo man einen vernünftigen Umgang damit findet." Lederer: "Wenn alle beteiligten Seiten sich der dringende Notwendigkeit bewusst sind, ein gemeinsames Projekt auf die Beine zu stellen, dann wird es an den Differenzen hier und da nicht scheitern."

Kritik am Umgang mit Andrea Nahles

Dreyer zeigte sich außerdem zuversichtlich, dass es noch weitere Bewerbungen um den SPD-Vorsitz geben wird. "Wir haben Sommerpause. Ich freue mich, dass wir schon drei Teams und eine Einzelperson haben, die sich in das Rennen begeben", sagte sie gegenüber der Funke-Mediengruppe. "Ich bin sehr sicher, dass es weitere Bewerbungen geben wird."

Gleichzeitig bekräftigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin ihren Verzicht auf eine Kandidatur. "Ich habe meine Entscheidung getroffen. Es gibt genügend starke Persönlichkeiten, denen man den SPD-Vorsitz zutrauen kann."

Die Politikerin beklagte erneut den Umgang der Partei mit der zurückgetretenen Parteivorsitzenden Andrea Nahles.

"Es trifft mich immer noch, wenn ich darüber nachdenke, was da geschehen ist." Das habe auch der Glaubwürdigkeit der Partei geschadet. "Wir dürfen mit Führungspersonen einfach nicht so umgehen wie mit Andrea Nahles." Mit Nahles habe sie Kontakt. "Ich habe den Eindruck, dass es ihr ganz gut geht." Nahles fehle allerdings den Sozialdemokraten.

Dreyer räumte ein, dass die SPD auf Bundesebene "gerade in einem sehr schlechten Zustand" sei. "Das muss sich dringend ändern. Unser Ziel bleibt selbstverständlich, dass wir wieder zu Mehrheiten finden jenseits der CDU. Eine große Koalition kann nie eine Dauerlösung sein." In Umfragen liegt die SPD derzeit unter 15 Prozent. Die Linke kommt auf sieben bis neun Prozent, die Grünen erreichen 23 bis 25 Prozent. Auf ihrem Parteitag im Dezember will die SPD eine Halbzeitbilanz zu dem Bündnis ziehen, die vorher vorbereitet werden soll. Erwartet wird, dass es auch bei der für September geplanten Vorstellung der Kandidaten für den künftigen SPD-Vorsitz in 23 Regionalkonferenzen immer wieder um das Thema gehen wird. So hatten sich Bewerber Karl Lauterbach für ein Ende der großen Koalition ausgesprochen.

"Politiker sind nicht immer perfekt" - Lob für Merkel

Dreyer fand dennoch lobende Worte für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach deren Zitteranfällen. „Öffentlichkeit muss ertragen, dass Politiker nicht immer perfekt sind. Öffentlichkeit kann aber erwarten, dass sie ihren Job gut machen“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. Deshalb sei für sie das Thema erledigt gewesen, als Merkel gesagt habe, dass sie ihr Amt zu hundert Prozent ausfüllen könne. Die Praxis in den USA, dass Politiker umfassend Auskunft über ihre Gesundheit geben müssen, gehe „viel zu weit“.

Dreyer ist selbst an Multipler Sklerose erkrankt. „Die Leute hier vergessen regelmäßig, dass ich eine chronische Erkrankung habe. Wenn ich mein Elektromobil benutze, rufen mir die Leute manchmal nach: „Gute Besserung!“ Sie haben den Eindruck, dass ich gerade einen Skiunfall hatte oder so. Das ist ein ziemlich gutes Zeichen. Die Gesellschaft ist offener geworden.“ (AFP/ dpa)

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