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Daumen hoch: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) lacht am Sonntag nach Bekanntwerden ihres Wahlsieges im Abgeordnetenhaus in Mainz.

© dpa

SPD gewinnt Wahl in Rheinland-Pfalz: Wo Malu Dreyer draufsteht ...

Man selbst sein, das ist eine wirklich große Kunst in der Politik. Im Gegensatz zu Julia Klöckner beherrscht Malu Dreyer dieses Kunststück. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Julia Klöckner hat Julia Klöckner gespielt, Malu Dreyer ist Malu Dreyer. So einfach ist es vielleicht, dass Ergebnis in Rheinland-Pfalz zu interpretieren. Die Kunst für eine Partei besteht offensichtlich darin, einen Kandidaten zu haben, der genau zum Momentum der Zeit passt. Die Christdemokratin Klöckner wackelte, lavierte und verlor die Nerven im entscheidenden Moment und angesichts ihres dahinschmelzenden Vorsprungs. Sie wollte, vielleicht aus gutem Willen, vielleicht aus Panik, zu viel.

Dreyer setzte Konsequenz und Haltung dagegen, sie blieb bei ihrer Linie, verteidigte selbst die Absage der TV-Runde mit der AfD bis zum letzten Tag stoisch und gegen alle Kritik auch aus den eigenen Reihen. Die Politik kann sich keine geeigneten Kandidaten backen, aber die Kandidaten, die da sind, sollten niemandem etwas vormachen wollen.

Doch einfach nur man selbst zu sein, ist in Wahrheit eine wirklich große Kunst in der Politik, weil die Umstände sehr oft eine gewisse Form von Schauspielerei notwendig machen. Um authentisch sein zu können, muss man in der Lage sein, innerlich auf Abstand zu gehen von diesem unglaublich fordernden und arbeitsintensiven Politikbetrieb. Sie wird es zwar so öffentlich nie sagen, aber die Multiple Sklerose (MS), an die Dreyer im Alter von 34 Jahren erkrankt ist, hat letztlich dazu geführt, dass die Sozialdemokratin diesen Abstand lernen konnte und verinnerlicht hat. Mehr noch: Sie glaubt fest daran, dass ihr das Leben nicht mehr zumuten werde als sie bewältigen könne.

Für eine Partei ist das ein seltener Glücksfall. Eine Ausnahme.

Wer innerlich so frei ist, kann auch Spitzenleistungen vollbringen. Und er verliert die Angst davor, womöglich nicht zu genügen oder das Falsche zu machen. Für eine Partei ist das ein seltener Glücksfall. Eine Ausnahme. Aber es kann auch ohne Dreyers Vita funktionieren.

Ein Lehrstück für den richtigen Kandidaten zur rechten Zeit lieferte Olaf Scholz. Der einst als „Scholzomat“ verlachte ehemalige SPD-Generalsekretär holte 2011 in Hamburg im Prinzip die absolute Mehrheit mit einem einzigen, heute legendären Satz: „Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie.“ Person und Botschaft müssen Sinn machen für die Wähler. Nur dann haben sie Vertrauen. In Hamburg waren sie beispielsweise dem Chaos unter Schwarz-Grün überdrüssig. Scholz erkannte, was er bieten konnte, ohne schauspielern zu müssen.

Dreyer hat das nun nachgemacht. Sie brachte den Bürgern beim Angst machenden Thema Flüchtlinge eine spürbare Gelassenheit entgegen. Klarheit und Standhaftigkeit bleiben gerade in unsicheren Zeiten der beste Ausweis für politische Kompetenz. Das sollte vielleicht auch die Lehre für die Bundes-SPD und für ihren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel sein.

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