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Karl Lauterbach im Deutschen Bundestag.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: „Ganz Deutschland wird ein Risikogebiet sein“

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach spricht im Interview über die zweite Corona-Welle, Heimtests und das künftige Leben mit dem Virus.

Karl Lauterbach (57) sitzt seit 2005 für die SPD im Deutschen Bundestag. Der studierte Mediziner – Spezialgebiet: Gesundheitsökonomie und Epidemiologie – ist in der Coronakrise ein gefragter Experte. Angesicht der stark steigenden Corona-Infektionszahlen fordert er bundesweite Regelungen für strenge Hygienevorschriften, etwa ein Verbot von privaten Feiern mit mehr als 25 Personen.

Herr Lauterbach, was halten Sie von der Idee einer bundesweiten Corona-Ampel?
Grundsätzlich halte ich nicht viel von der Idee. Sobald die Ampel auf Grün springt, würde das ein falsches Gefühl der Sicherheit erzeugen, doch dafür gibt es derzeit keinen Anlass. Im Gegenteil: Wir laufen gerade in eine zweite Welle hinein und müssen überall sehr wachsam sein. Außerdem ist es ein Problem, wenn in einer solchen Ampel verschiedene Kriterien miteinander verrechnet werden.

Was meinen Sie damit?
Die Zahl der freien Intensivbetten etwa spielt im Moment für den Verlauf der Pandemie kaum eine Rolle. Maßgeblich ist die Zahl der Menschen, die sich jetzt mit dem Coronavirus infizieren, und deren Altersverteilung. Daraus lässt sich die Sterblichkeit ablesen, die wir in einigen Wochen zu erwarten haben. Wir müssen uns in einem Frühwarnsystem also auf die neuen Fälle fokussieren.

Sie fordern, bei der Ausgabe von Schnelltests zu priorisieren: erst Pflegeeinrichtungen, dann Schulen. Was versprechen Sie sich von dieser Strategie?
Wir dürfen keine Tests verschwenden. Derzeit haben wir keine zugelassenen Tests, die man zu Hause machen kann. Für die Durchführung der Tests brauchen wir bislang medizinisches Fachpersonal. Wenn wir demnächst zwei bis vier Millionen Tests pro Woche zur Verfügung haben, müssen wir uns fragen, wo wir die am sinnvollsten einsetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in den Pflegeeinrichtungen nicht versterben und dass unsere Kinder zur Schule gehen können.

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Im Übrigen glaube ich, dass wir die Schulen noch mindestens ein ganzes Jahr absichern müssen, am besten mit Luftfiltern und anderen Vorsichtsmaßnahmen. Die bisherigen Studien lassen erwarten, dass wir auch im nächsten Jahr Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit nicht impfen können. Wir werden zunächst die Risikogruppen impfen können. Impfungen für alle gibt es wohl erst ab Herbst 2021. Und die werden voraussichtlich nur vor einem schweren Verlauf schützen, nicht vor der Infektion. Was die Tests angeht, müssen wir schon jetzt Prioritäten setzen und dürfen sie nicht etwa für Stadionbesucher oder Kinogänger verschwenden.

Zwei Mitarbeiterinnen im Labor einer mobilen Corona-Teststation in Baden-Württemberg.
Zwei Mitarbeiterinnen im Labor einer mobilen Corona-Teststation in Baden-Württemberg.

© dpa/Uwe Anspach

Warum gibt es so wenige Tests?
Es gibt eine nur sehr wenige Firmen, die diese Tests herstellen; indes ist die weltweite Nachfrage enorm. Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr die Verfügbarkeit der Tests viel größer sein wird. Dann wird es auch sicher Selbsttest geben, die man zu Hause machen kann.

Wann rechnen Sie mit solchen Heimtests?
Sie dürften in wenigen Wochen marktreif sein. Wann sie in Deutschland zugelassen werden, ist aber schwer zu sagen. Dafür benötigt man erst Studien, die allerdings noch nicht einmal in Vorbereitung sind.

Wer aus Berlin-Mitte nach Schleswig-Holstein reist, muss 14 Tage in Quarantäne. Wer hingegen aus einem Risikogebiet nach Berlin kommt, für den gilt keine Quaräntepflicht. Welches Vorgehen ist sinnvoller? 
Ich gehe davon aus, dass wir die Zahl von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche sehr bald in vielen Regionen in Deutschland überschreiten werden. Die bestehenden Quarantäneregelungen werden dann kaum mehr Sinn machen, weil quasi ganz Deutschland ein Risikogebiet sein wird. Ob man dann reist oder nicht, wird kaum noch einen Unterscheid machen. Quaräntevorschriften könnten daher für Reisen in Deutschland in wenigen Wochen keine große Rolle mehr spielen. Viel wichtiger sind deshalb weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus, etwa ein bundesweites Verbot von privaten Feiern mit mehr als 25 Personen. Auf öffentlichen Plätzen, wo man sich nahekommt und laut gesprochen wird, sollte es eine Maskenpflicht geben.

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