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Protest gegen China: Massendemonstrationen für Freiheit und Demokratie in Hongkong

© Reuters/Danish Siddiqui

SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich: Ein Gesetz für Hongkong? „Wir haben da keinen Nachholbedarf“

Soll Deutschland mit einem Gesetze Demokraten in Hongkong stärken? Dies ist eine der außenpolitischen Fragen, die die SPD-Fraktion beschäftigen. Ein Interview.

Von Hans Monath

Gabriela Heinrich ist seit kurzem stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik.

Die 56-Jährige wurde in Berlin geboren und vertritt nun den Wahlkreis Nürnberg.

Frau Heinrich, die CDU-Verteidigungsministerin und der SPD-Außenminister streiten auf offener Bühne. Ist die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik überhaupt noch handlungsfähig?
Da kann ich Sie beruhigen, Deutschland ist auf diesen Feldern weiter handlungsfähig. Allerdings müsste Frau Kramp-Karrenbauer ihren großen Ankündigungen erst einmal konkrete Pläne folgen lassen, damit wir wissen, wo sie tatsächlich hinwill.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), nennt SPD-Minister Heiko Maas einen „Totalausfall“. Hat er Recht?
Natürlich hat er nicht Recht. Heiko Maas hat mit seiner ruhigen Art dafür gesorgt, dass Deutschland in vielen weltweiten Krisen eine führende Rolle bei der Konfliktlösung übernommen hat. Das ist genau das, was wir von der deutschen Diplomatie erwarten.

In der Sahel-Zone gibt es beunruhigende Entwicklungen. Frankreich will seinen Militäreinsatz in Mali deshalb ausweiten und setzt auf deutsche Hilfe. Soll auch die Bundeswehr ihren Mali-Einsatz ausweiten und etwa Spezialkräfte zur Bekämpfung von Terroristen in die Region schicken?
Wir werden diese Frage beantworten, wenn sie sich stellt. Die Kriterien sind klar: Ohne völkerrechtliche Grundlage dürfen deutsche Soldaten nicht in Auslandseinsätze. Und die Verteidigungsministerin muss sicherstellen, dass wir überhaupt genügend Kapazitäten für eine solche Mission hätten.

Die Verteidigungsministerin fordert mehr deutsche Präsenz im indo-pazifischen Raum, zu dem auch das Südchinesische Meer gehört. Sind Sie einverstanden?
Nein. Wir wollen keine deutschen Schiffe ins Südchinesische Meer schicken.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht sich durch die Vorschläge der Verteidigungsministerin an den Wihelminismus erinnert. Wie passt das damit zusammen, dass die Bundesregierung sich seit Jahren dem Ziel verschrieben hat, als Exportnation die freie Schifffahrt und das Völkerrecht weltweit zu verteidigen?
Wir wehren uns gegen eine Verengung der Außen- und Sicherheitspolitik auf rein militärische Antworten.

Der US-Kongress hat Gesetze zur Stärkung der Demokratie in Hongkong verabschiedet, Präsident Trump hat sie schon unterzeichnet. Warum rafft sich der Bundestag nicht zu diesem Schritt auf?
Wir haben da keinen Nachholbedarf. Sowohl die Kanzlerin als auch der Außenminister haben in Bezug auf Hongkong klar die Einhaltung internationaler Verträge und eine friedliche Konfliktlösung gefordert. Nach den jüngsten Berichten über die direkte Verantwortung der chinesischen Führung für die sogenannten Umerziehungslager für Uiguren sind nun Aufklärung und Transparenz gefordert.

Kritiker werfen Deutschland vor, es mache keine europäische, sondern nur deutsche Chinapolitik – und die werde von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Sehen Sie das auch so?
Auch Großbritannien oder Frankreich haben Wirtschaftsbeziehungen zu China. Seit Jahren sprechen deutsche Politiker bei Besuchen in China die Menschenrechtslage an und treffen oft Aktivisten der Zivilgesellschaft. Auch ich war vor einigen Jahren vor Ort und habe mich eindeutig in der Frage positioniert. Da müssen wir uns nicht verstecken. Richtig ist: Europa muss mit einer Stimme sprechen. Wir werden die deutsche Ratspräsidentschaft 2020 nutzen, um da voranzukommen.

In der Fraktionssitzung vor zwei Wochen wollten Sie Kriterien zur Ausschreibung des deutschen 5G-Netzes festlegen. Gegen den chinesischen Anbieter Huawei gibt es massive Sicherheitsbedenken. Warum haben Sie den Beschluss verschoben?
Wir haben festgestellt, dass die CDU auf ihrem Parteitag einen Antrag verabschiedet hat, der strenge Sicherheitskontrollen verlangt, ohne Huawei beim Namen zu nennen. Wir wollen nun mit der Union ausloten, welche Sicherheitsvorgaben wir als Koalition für nötig halten und ob wir zu einer gemeinsamen Position kommen können. Mit einem großen Teil der Union sind wir da einig, deshalb sollten wir das probieren.

Was Sie beschlossen haben, sind strengere Kriterien für Rüstungsexporte. Warum will die SPD die verschärfen?
Wir müssen die Kontrolle darüber verbessern, in welche Endabnehmerländer Rüstungsgüter ankommen, für die die Bundesregierung Ausfuhrgenehmigungen erteilt. Das wollen wir künftig besser nachvollziehen können. Ländern, die selbst Kriege führen, wollen wir keine Waffen liefern. Dazu zählt etwa Saudi-Arabien.

Wie wollen Sie das garantieren?
Waffen sind kein normales Wirtschaftsgut. Darum behandeln wir Rüstungsgüter nicht nach wirtschaftlichen Kriterien, sondern nach strategischen. Es geht nicht um Wirtschaft, es geht um Außen- und Sicherheitspolitik. Das ist ein Paradigmenwechsel. Deshalb soll die Entscheidung auch vom Wirtschaftsministerium auf das Kanzleramt übergehen. Und wir schärfen die Kriterien: Wer den internationalen Vertrag über Waffenhandel (ATT) nicht unterschrieben hat, kommt in der Regel als Abnehmer nicht infrage. Für Ausnahmen müssen schon sehr gewichtige Gründe angeführt werden.

Die EU-Partner Frankreich, Großbritannien und Spanien beklagen, dass die zurückhaltende deutsche Genehmigungspraxis die europäische Zusammenarbeit in Rüstungsfragen torpediert. Gefährdet die SPD-Fraktion mit ihren strengeren Kriterien die europäische Integration?
Nein. Wir wollen die europäische Zusammenarbeit bei der Kontrolle und Genehmigung von Rüstungsexporten vertiefen. Dass die Union unseren Vorschlag ablehnt, überrascht mich nicht. Aber wenigstens weiß nun jeder, wo die SPD-Fraktion in dieser Frage steht.

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