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Das leere Pressepult der SPD in der Parteizentrale in Berlin

© imago images / photothek / Felix Zahn

SPD auf Chefsuche: Selbstbezogen bis zuletzt

Es geht um nichts weniger als die Existenz der Sozialdemokratie in Deutschland. Aber ihre Größen verhalten sich verantwortungslos. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Verfall! Ja, das ist das Wort. Er war zu besichtigen in den Tagen und Wochen, die hinter uns liegen – und wird mutmaßlich so schnell nicht enden: der Verfall der SPD. Auf seltsame Weise arbeitet die Partei daran, diese viel bestrittene These doch noch wahr zu machen: die vom Ende des sozialdemokratischen Zeitalters. In Deutschland.

Die SPD fällt und fällt und fällt in dem, was man Wählergunst nennt. Wobei man in ihrem Fall von Gunst schon kaum mehr sprechen kann. Vorbei die Zeiten, da Willy Brandt, die Ikone, bei einer Bundestagswahl 45,8 Prozent holte. Das war im vorigen Jahrhundert. Heute steht die SPD in Umfragen bei 11,5 Prozent. Von einer Volkspartei kann nicht mehr die Rede sein; das Volk läuft der Partei in Scharen davon.

Und wie das enden kann, zeigt ein Blick in die Welt. In den Niederlanden stellte die Partei der Arbeit 1998 den Ministerpräsidenten, Wim Kok – mit 29 Prozent. Bei den Wahlen 2017 lag sie dann bei 5,7 Prozent. Die französischen Sozialisten mit François Mitterrand erzielten 45,3 Prozent, das war 1988, heute liegen sie in Umfragen weit unter zehn Prozent. In Italien sind ebenfalls nur noch Spurenelemente einstiger Größe vorhanden.

Auch in Deutschland geht es um die Existenz der Sozialdemokratie. Aber verhalten sich ihre Größen entsprechend? Nein. Und das ist im Angesicht der historischen Bedeutung dieser Partei fürs Land über anderthalb Jahrhunderte hinweg verantwortungslos.

Die Suche nach einer neuen Parteispitze wird zur Farce

Die Suche nach einem oder zwei neuen Vorsitzenden wird zur Farce. Wer sich bisher gemeldet hat, dem wird höchstens von einzelnen Interessengruppen, in die die SPD auch noch zu zerfallen droht, eine Chance gegeben. Zumal nicht einmal alle allen in der Partei bekannt sind, geschweige denn darüber hinaus, siehe Roth, Kampmann, Maier, andere. Die sogenannten Großen hingegen, die Ministerpräsidenten und Minister, sagen ab oder ducken sich weg. Dass, beispielsweise, der Niedersachse Stephan Weil in verschwiemelter Formulierung eine Kandidatur ausschließt, ist ein Symptom für die Selbstbezogenheit vieler, unter der die ganze Partei leidet.

Weil wird das nicht gerne hören, wie sie Kritik ja alle nicht gerne hören, aber es ist doch so: Die SPD ist unbestreitbar in einer existenziellen Krise, daher müssen alle, die ihre politische Existenz dieser Partei verdanken, bereit sein, die auch für sie aufs Spiel zu setzen. Also alles einzubringen. Es gab mal einen Genossen, Rudolf Scharping, der zu seinem Scheitern als Vorsitzender sagte, es gebe etwas Größeres als den Einzelnen, und das sei die Sozialdemokratie. Nie war diese Mahnung richtiger als heute.

Die SPD ist für die Statik der Republik unverzichtbar

Es geht nicht nur um die Zukunft irgendeiner Partei. Die SPD ist für die Statik der Republik als Größe unverzichtbar. Wie gedankenlos wirkt da, dass die Bewerbungsfrist für den Vorsitz ausgerechnet am 1. September endet – an dem Tag, der die Sozialdemokratie durch die Wahlen in Brandenburg und Sachsen ihrem Ende noch näher bringen kann.

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, schrieb Hölderlin. Vielleicht, weil sich in letzter Minute die besinnen, die die SPD retten müssten? Und zwar sowohl von Amts wegen als auch wegen ihrer Ämter. Sonst verfallen alle ihre Optionen. Das sollte Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin im Nordosten, nicht vergessen, und erst recht nicht Franziska Giffey, die Berliner Hoffnungsträgerin.

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