zum Hauptinhalt
Vor dem Obersten Gerichtshof wird der Jahrundertprozess verhandelt.

© Gabriel Bouys/AFP

Spanien: Prozess gegen katalanische Separatisten beginnt in Madrid

Zwölf katalanische Unabhängigkeitskämpfer müssen sich vor Spaniens Oberstem Gerichtshof verantworten. Der Vorwurf: Rebellion.

Das Gerichtsgebäude gleicht einer Festung. Hunderte Polizisten bewachen den Obersten Gerichtshof Spaniens, der mitten im Zentrum Madrids liegt. In diesem ehrwürdigen Palast aus dem 18. Jahrhundert startet an diesem Dienstag einer der wichtigsten Prozesse der spanischen Demokratiegeschichte. Spaniens Medien sprechen von einem „Jahrhundertprozess“.

Auf jeden Fall ist es ein historisches Mammutverfahren, in dem der Unabhängigkeitskonflikt in der nordostspanischen Region Katalonien nun juristisch aufgearbeitet wird.

Zwölf katalanische Separatistenführer müssen sich vor einer siebenköpfigen Strafkammer für die mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 verantworten. Abspaltungsbeschlüsse, welche die in zwei politische Lager gespaltene Region und ganz Spanien in eine tiefe Krise stürzten.

Zugleich hielt der Konflikt im Herbst 2017 wochenlang die Welt in Atem und setzte eine europaweite öffentliche Debatte darüber in Gang, ob sich die Region Katalonien so einfach von Spanien lossagen darf.

Prüfstein für die Demokratie

Im gerichtlichen Nachspiel geht es freilich weniger um den Traum von der Unabhängigkeit, sondern um den konkreten Vorwurf, dass die Anführer der Unabhängigkeitsbewegung gegen die spanische Verfassung und andere Gesetze verstoßen haben.

Darüber hinaus gilt das Verfahren als Prüfstein für die Demokratie Spaniens. Denn die Angeklagten sehen sich als Opfer eines „unfairen und politischen Prozesses“. Ein Vorwurf, den Spaniens Justiz zurückweist und mit maximaler Transparenz beantwortet: Der Prozess wird per Live-Streaming übertragen, sodass die ganze Welt im Internet das Geschehen verfolgen kann.

„Wir sind unschuldig“, schrieb Oriol Junqueras aus dem Untersuchungsgefängnis, in dem er die vergangenen 15 Monate verbrachte. Der 49-jährige Chef der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) und Ex-Vizeministerpräsident Kataloniens ist der Hauptangeklagte.

Am Wochenende gingen Tausende Spanier auf die Straße, um gegen Kataloniens Unabhängigkeitbestrebungen zu protestieren. Rechte Parteien wie "Vox" hatten dazu aufgerufen.
Am Wochenende gingen Tausende Spanier auf die Straße, um gegen Kataloniens Unabhängigkeitbestrebungen zu protestieren. Rechte Parteien wie "Vox" hatten dazu aufgerufen.

© Oscar del Pozo/AFP

Den Angeklagten drohen hohe Haftstrafen

Der Staatsanwalt wirft ihm Rebellion vor, weil er die katalanische Bevölkerung gegen den Staat aufgewiegelt haben soll. Und Veruntreuung, weil Millionen von Steuergeldern für ungesetzliche Unabhängigkeitsaktivitäten ausgegeben worden sein sollen. Dafür drohen Junqueras 25 Jahre Haft.

Neben Junqueras nehmen weitere prominente Köpfe auf der Anklagebank Platz. Zum Beispiel Jordi Sànchez, ehemaliger Chef der großen außerparlamentarischen Separatistenbewegung ANC. Oder Carme Forcadell, die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlamentes.

Zudem müssen sich etliche Minister der damaligen Separatistenregierung verantworten. Sie werden ebenfalls der Rebellion, der Untreue oder des Ungehorsams beschuldigt; der Ankläger fordert für sie zwischen sieben und 17 Jahren Gefängnis.

Den schweren Vorwurf der Rebellion begründet die Staatsanwaltschaft damit, dass die Separatisten am 1. Oktober 2017 eigenmächtig ein Unabhängigkeitsreferendum durchführten, obwohl dieses dem spanischen Grundgesetz widersprochen habe und obwohl die Abstimmung zuvor vom Verfassungsgericht verboten worden sei. Auch eine anschließende Unabhängigkeitserklärung sei illegal gewesen. Wegen ihrer Entscheidungen war die von Carles Puigdemont geführte Separatistenregierung von Madrid abgesetzt worden.

Keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung

Spaniens Verfassung sieht, wie die Grundgesetze der meisten europäischen Staaten, die Abspaltung eines Territoriums nicht vor. Ein bindendes und legales Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, wie es etwa 2014 in Schottland stattfand, wäre somit erst nach einer Verfassungsänderung möglich. Dafür ist aber derzeit in Spanien keine politische Mehrheit in Sicht.

Unterstützer von Kataloniens entmachtetem Regionalpräsidenten Puigdemont schwenken bei einer Kundgebung am 15. Dezember in Barcelona (Spanien) katalanische Flaggen.
Unterstützer von Kataloniens entmachtetem Regionalpräsidenten Puigdemont schwenken bei einer Kundgebung am 15. Dezember in Barcelona (Spanien) katalanische Flaggen.

© Emilio Morenatti/AP/dpa

Der frühere katalanische Ministerpräsident Puigdemont , der im Herbst 2017 als Kopf der Unabhängigkeitsbewegung galt, kann sich entspannt zurücklehnen. Er muss derzeit nicht um seine Freiheit fürchten. Wenigstens solange er im Ausland bleibt, wohin er sich nach Beginn der strafrechtlichen Ermittlungen absetzte.

Eine Flucht, die übrigens im Unabhängigkeitslager umstritten ist. Sollte Puigdemont aus Belgien, wo er sich derzeit aufhält, nach Spanien zurückkommen, muss er aber ebenfalls mit Festnahme und Anklage rechnen.

Auf eine Auslieferung Puigdemonts, der im Frühjahr 2018 in Deutschland vorübergehend festgenommen worden war, hatte Spanien verzichtet. Vor allem, weil die deutschen Auslieferungsrichter eine Überstellung Puigdemonts nur wegen des Vorwurfs der Untreue, aber nicht wegen Rebellion für zulässig hielten.

Zur Startseite