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Die Maßnahme war zum 31. Mai ausgelaufen.

© Patrick Pleul/zb/dpa

Spahn kündigt Beschluss an: Telefonische Krankschreibung soll wieder ausgedehnt werden

Zu Beginn der Pandemie hatte die Maßnahme die Arztpraxen bei Erkältungspatienten entlastet. Angesichts der aktuellen Corona-Lage wird sie nun wieder aktiviert.

Telefonische Krankschreibungen beim Arzt wegen Erkältungsbeschwerden sollen wegen der Coronavirus-Lage bis Jahresende wieder umfangreicher möglich gemacht werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses im Gesundheitswesen für Donnerstag an. Das Gremium ist mit Vertretern von Ärzten, Kliniken und gesetzlichen Krankenkassen besetzt. „Wir wollen natürlich mögliche Infektionen im Gesundheitswesen selbst und in der Arztpraxis bei Grippe sowie bei Corona vermeiden“, sagte Spahn.

Bundesweit waren telefonische Krankschreibungen bereits in der Anfangsphase der Pandemie möglich. Später war entschieden worden, diese nur noch abhängig vom Infektionsgeschehen auf Antrag regional und zeitlich befristet per Ausnahmeregelung zuzulassen.

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Der Bundesausschuss hatte das Auslaufen der Regelung zum 31. Mai auch damit begründet, dass die Ausstattung mit Masken und anderer Schutzausrüstung weitestgehend gewährleistet sei. Viele Praxen hätten Hygienekonzepte, so dass Patienten eine ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen könnten, ohne sich erhöhten Infektionsrisiken auszusetzen.

Im März so viele Krankmeldungen wie zuletzt vor 20 Jahren

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte sich zuletzt dafür stark gemacht, angesichts steigender Coronavirus-Infektionszahlen, die Regelung im Herbst und Winter wieder auszudehnen. Das Instrument habe die Praxen bereits im März und April erheblich entlastet.

Der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge hatten sich im März so viele Arbeitnehmer krank gemeldet wie seit 20 Jahren nicht mehr. Wie eine Auswertung der Kasse zeigt, lag der Anteil krankgeschriebener Beschäftigter bei 6,84 Prozent. Der Höchststand im vergangenen Jahr lag den Angaben zufolge bei 5,30 Prozent.

Als Grund für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wurden vor allem Erkältungskrankheiten genannt, hieß es. Der Chef der TK, Jens Baas, vermutete, dass ein großer Anteil des überdurchschnittlich hohen Krankenstandes mit präventiven Krankmeldungen aufgrund der Corona-Pandemie zu erklären ist. Schon Anfang Mai hatte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) berichtet, der Krankenstand sei während der Coronavirus-Krise stark gestiegen.

Ab Mai sanken die AU-Zahlen dann deutlich

Zwischen Mai und August sank die Zahl der Krankmeldungen nach Angaben der AOK dann allerdings teilweise deutlich, wie eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts (Wido) der Krankenkasse ergab. Demnach lagen auch bei der TK die Krankmeldungen auf einem „unterdurchschnittlichen Niveau“.

Der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, vermutet mehrere Gründe hinter dem Rückgang. „Zum einen dürften viele Beschäftigte Arztpraxen aus Angst vor Ansteckung meiden“, sagte er. „Zum anderen ist es wahrscheinlich, dass die Pandemie das Infektionsrisiko insgesamt eher absenkt.“ Mehr Menschen arbeiteten im Homeoffice, dadurch sinke das Ansteckungsrisiko auf dem Arbeitsweg und im Büro. Außerdem würden Arbeitnehmer bei leichten Erkrankungen wie einer Erkältung eher im Homeoffice bleiben und auf eine Krankschreibung verzichten.

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Litsch verwies darauf, dass es seit Mai deutlich weniger Krankschreibungen aufgrund von „Akuten Infektionen der oberen Atemwege“ gegeben habe. „Offensichtlich wurde die Empfehlung ernst genommen, auch bei leichten Erkältungssymptomen das Büro zu meiden.“ Und bereits vor der Pandemie sei die Tendenz erkennbar gewesen, „dass Beschäftigte im Homeoffice generell weniger Fehltage aufweisen“. Litsch warnte aber, dass die Möglichkeit zur Heimarbeit die Tendenz fördere, trotz Erkrankung zu arbeiten. „Wer krank ist, sollte in jedem Fall beruflich pausieren. Halbkrank gibt es nicht“, sagte er.

Dem Wido zufolge betrug der Krankenstand im Mai 4,4 Prozent, nach 5,2 Prozent im Vorjahresmonat und 4,7 Prozent im Mai 2018. Im Juni meldeten sich 4,5 Prozent krank (2019: 4,8, 2018: 5,0 Prozent), im Juli 4,8 Prozent (2019: 5,0, 2018: 4,9 Prozent) und im August 4,4 Prozent (2018 und 2019 je 4,7 Prozent). Der „Welt am Sonntag“ zufolge deuten auch Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums auf diesen Trend hin. Einer monatlichen Stichprobe zufolge seien in den ersten neun Monaten 4,22 Prozent der Beschäftigten krankgeschrieben gewesen, das sei der niedrigste Neun-Monats-Wert seit 2017.

Die Zahl der Krankschreibungen ging Wido zufolge bei Männern wie bei Frauen teils deutlich zurück. So waren etwa im Mai 4,4 Prozent der männlichen Beschäftigten krankgeschrieben sowie 4,5 Prozent der weiblichen. Im Vorjahresmonat waren es noch 5,1 Prozent der Männer und 5,3 Prozent der Frauen. (dpa, Tsp)

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