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Ich erklär' euch mal, wie man eine Partei führt: SPD-Chefin Andrea Nahles nach der Klausur des Parteivorstands.

© Odd Andersen/AFP

Sozialstaatskonzept der SPD: "Wenn sich die anderen dran reiben - gut"

In den vergangenen Monaten war der Druck auf SPD-Chefin Andrea Nahles immens gestiegen. Mit dem neuen Sozialstaatskonzept hat sie Zeit gewonnen.

Von Hans Monath

Viel Grund für gute Laune hatte Andrea Nahles nicht in den vergangenen Monaten – zu mies waren die Umfragewerte der SPD, zu laut die Kritik an ihrem Agieren aus den eigenen Reihen. Doch am Ende der zweitägigen Vorstandsklausur zur Reform des Sozialstaats zeigte sich die Parteichefin am Montag in betont aufgeräumter Stimmung. "Insgesamt hatten wir sehr gute, intensive, konstruktive Debatten, einstimmige Beschlüsse und gute Laune", verkündete sie: "So kann es weitergehen." Es sei ein wichtiges Signal, dass die SPD nun mit Schwung in dieses wichtige politische Jahr 2019 gehe.

Tatsächlich hält das Wahljahr 2019 mit der Europawahl und der Landtagswahl in Bremen Ende Mai sowie mit drei Landtagswahlen im Osten für die SPD und ihre Vorsitzende schwere Prüfungen bereit. Das Signal, dass die SPD sich vom bisherigen Hartz-IV-System verabschiedet und etwa länger Arbeitslosengeld 1 bezahlen will, so hoffen Mitglieder der Parteiführung, komme rechtzeitig, um bei den Wahlen noch Wirkung zu zeigen. Leichte Zugewinne in Umfragen, die der SPD nun bis zu 17 Prozent bescheinigen, stützen den vorsichtigen Optimismus.

Union kritisiert Sozialstaatskonzept massiv

Immerhin gelang es den Sozialdemokraten in den vergangenen Tagen, was ihnen lange nicht gelungen war: Mit eigenen Beschlüssen Themen zu setzen, an denen sich die Öffentlichkeit und andere Parteien abarbeiten. Dass die Union das neue Sozialstaatskonzept hart kritisierte und als Angriff auf die soziale Marktwirtschaft geißelte, gefiel nicht nur Parteivize Ralf Stegner. "Wenn der Klassengegner wieder Angst vor den Sozialstaatskonzepten der SPD hat, sind wir auf einem guten Weg", twitterte er. Auch Nahles verkündete, die SPD habe sich klar positioniert: "Wenn die anderen sich dran reiben – gut. Das ist Politik. Davon brauchen wir mehr."

Die Vorsitzende, an der bis vor kurzem wichtige Funktionsträger der SPD im Schutz der Anonymität harte Kritik geübt hatten, reklamierte die Einigkeit am Ende der Vorstandsklausur als eigene Leistung: "Das ist auch eine Methode, diese Partei zu führen." Sie selbst habe die Diskussion über die Reform des Sozialstaats angestoßen, die nun zu klaren Beschlüssen geführt habe. Die Beschlüsse seien eine "wichtige Weichenstellung für unsere Politik in den nächsten Jahren". Der SPD gehe es um eine Politik, „die für gesellschaftlichen Zusammenhalt steht“.

Zukunft "gewichtiger und bedeutsamer als alles andere"

Auch nach der harten Kritik an ihr von Vorgänger Sigmar Gabriel und Altkanzler Gerhard Schröder wurde Nahles am Montag gefragt. Die persönlichen Angriffe hatten die angeschlagene Vorsitzende in der Partei nicht geschwächt, sondern im Gegenteil zu einem Solidarisierungseffekt mit ihr geführt. Nahles, die mit der Vorstandsklausur zumindest Zeit gewonnen hat, gab sich großzügig. "Jeder hat hier ein Recht darauf, mich zu kritisieren", meinte sie. Dass der Vorstand die Partei für die Zukunft aufgestellt habe, sei "gewichtiger und bedeutsamer als alles andere".

Den neuen Linkskurs mit einem höheren Mindestlohn, der Streichung vieler Hartz-IV-Sanktionen, der Absicherung von Kindern und dem Recht auf Home-Office-Arbeit sehen manche in der Parteiführung schon als mögliche Begründung für einen Ausstieg aus der großen Koalition, wenn Ende des Jahres die vereinbarte Revision der Regierungsarbeit ansteht. Nahles wies solche Überlegungen allerdings brüsk zurück. Der Ausstieg aus der großen Koalition sei bei der Klausur "null Thema" gewesen, sagte sie. Vielmehr wolle die SPD die im Koalitionsvertrag verabredete Halbzeitbilanz des Regierungsbündnisses mit der Union gemeinsam ziehen.

Ob es Ende des Jahres dann Nahles sein wird, die gemeinsam mit der Union diese Bilanz zieht, dürfte allerdings auch vom Ausgang der anstehenden Wahlen im Jahr 2019 abhängen.

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