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Sozialstaatsdebatte: Westerwelle trotzt Merkel

FDP-Chef Westerwelle verteidigt im Bundestag seine Hartz-IV-Schelte. Arbeitsministerin von der Leyen bekräftigt hingegegen: Es gebe keinen Generalverdacht gegen Arbeitslose.

Berlin - Nach der scharfen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an ihrem Vize Guido Westerwelle in der Debatte um Hartz IV hat der FDP-Chef seine umstrittenen Aussagen am Donnerstag im Bundestag verteidigt. „Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet“, sagte der Außenminister in der teilweise überaus emotional geführten Debatte. Wenn es nicht zu einer Leistungsgerechtigkeit komme, „werden wir das Fundament des Sozialstaates verlieren“, sagte der Vizekanzler, dessen Redebeitrag erst kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt worden war.

Merkel hatte Westerwelle am Mittwoch in einem wenige Stunden vor einem Treffen der Koalitionsspitzen veröffentlichten Interview vorgeworfen, die Debatte über die Reform des Sozialstaats unnötig erschwert zu haben. Westerwelle habe seine Hartz-IV-Kritik so formuliert, als bräche er ein Tabu, dabei habe er inhaltlich nur Selbstverständliches ausgesprochen.

Westerwelle sagte im Bundestag, er habe „nicht diejenigen kritisiert, die ein schweres Schicksal haben“. Er habe aber jene aus der Opposition kritisiert, die schon am Tag nach der Hartz-IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die von der FDP angestrebten Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen als erledigt bezeichnet hätten. Alles, was verteilt werden solle, müsse zuvor erwirtschaftet werden. Deshalb seien Steuererleichterungen weiter auf der Tagesordnung. Die Mittelschicht ziehe „den Karren“, deshalb dürfe ihr die Last „nicht immer schwerer gemacht werden“. Die Opposition quittierte Westerwelles Rede mit permanenten empörten Zwischenrufen. Besonders heftig war der Protest, als Westerwelle erklärte, „die OECD hat uns bescheinigt, dass die Aufnahme von Arbeit sich nicht lohnt“.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte im Plenum vor einem „Generalverdacht“ gegen Langzeitarbeitslose. Dies werde der großen Zahl derer, „die raus wollen aus der Arbeitslosigkeit, nicht gerecht“. Man müsse gleichwohl „das richtige Maß finden“, für diejenigen, die vom Arbeitslosengeld II „menschenwürdig leben“ sollen und für jene, „die es erarbeiten und verdienen müssen“. Diese Gruppen dürfe man nicht gegeneinander ausspielen. Leyen rief dazu auf, Kinder besser zu bilden und zu fördern, um ihnen Zukunftsperspektiven zu geben. Es gehe nicht allein um höhere Regelsätze, sondern auch um Sach- oder Dienstleistung von Mensch zu Mensch, etwa für Nachhilfeunterricht. Sie verwies auf die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Neufassung der Hartz-IV-Regelsätze und erklärte, die Richter hätten besonders die Interessen von Kindern herausgestrichen. „Es geht darum, dass bedürftige Kinder überhaupt mithalten können“, sagte Leyen.

Nach dem Sechs-Augen-Gespräch von Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer am Mittwochabend bemühten sich die Beteiligten, die Sachthemen in den Vordergrund zu stellen. Alle Bereiche seien angesprochen worden, sagte Seehofer. Seine Bilanz des Treffens: „Wenn ich die Quintessenz ziehen soll, dann würde ich sagen, dass wir bei verschiedenen Themen aufs Tempo drücken müssen.“ Zum Erscheinungsbild der sich seit Wochen streitenden Koalition sagte er: „Das ist alles nicht bekömmlich.“

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