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SPD-Chefin Andrea Nahles

© dpa/Swen Pförtner

Sozialpolitik: Ihr Hauptproblem löst die SPD so nicht

Die Sozialdemokraten positionieren sich vor einer Reihe von Wahlen in diesem Jahr neu. Doch das wird nicht reichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Paul Starzmann

Dass die Wähler das noch erleben dürfen: eine wahrhaft linke SPD. Gut drei Monate vor der Europa- und Bremen-Wahl stellen sich die Sozialdemokraten inhaltlich neu auf. Höhere Renten für Geringverdiener, weniger Druck auf Arbeitslose, mehr Geld für Kinder aus armen Familien – das alles hat die Parteiführung vor der am Sonntag stattfindenden Jahresauftaktklausur versprochen.

Mit der neuen, linkeren Sozialpolitik verbindet der Vorstand um die angeschlagene Vorsitzende Andrea Nahles große Hoffnungen. Man will das Hartz-Trauma der Partei heilen, die Schröder-Ära endlich vergessen machen und ehemalige Stammwähler zurückgewinnen – nach dem Motto aus einem alten Arbeiterlied: „Hell aus dem dunklen Vergangenen, leuchtet die Zukunft hervor.“ Die nahe Zukunft sieht jedoch düster aus für die Sozialdemokraten. Für alle Wahlen in diesem Jahr sagen die Umfragen für die SPD niederschmetternde Verluste voraus.

Selbst im ewig roten Bremen müssen die Sozialdemokraten nach mehr als 70 Jahren vielleicht die Macht an die CDU abgeben. Kaum zu glauben. Das 17-seitige Papier der Parteiführung mit dem Titel „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“ wird da nicht viel helfen.

So knapp vor der Abstimmung über das Europaparlament und die Bürgerschaft in Bremen wirkt es arg berechnend, dass die Genossen gerade jetzt eine ellenlange Liste mit sozialdemokratischen Klassikern auf den Markt werfen – von mehr Mindestlohn bis zu besseren Bildungschancen.

„Reines Kalkül“, könnten viele Wähler denken. Dass bei keinem einzigen der vielen SPD-Versprechen klar ist, wie es finanziert werden soll, erhärtet den Verdacht, dass ein paar hastig zusammengestellte Wahlversprechen den Komplettuntergang der Partei verhindern sollen.

Noch schlimmer wäre es, wenn den Sozialdemokraten die Wiederentdeckung ihrer sozialen Ader nur als Provokation innerhalb der Koalition dient. Vorstellbar ist es: Die SPD weiß, dass sie kaum etwas aus dem Konzept mit der Union umsetzen kann. Bleibt es bei leeren Versprechen, schadet auch das ihrer Glaubwürdigkeit.

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Dabei ist bei Weitem nicht alles schlecht, was die SPD-Spitze vorschlägt: Wer würde widersprechen, dass Kinder aus armen Familien mehr Geld brauchen? Oder dass es sinnvoll ist, Hartz-IV-Beziehern nicht mehr so lange die Bezüge zu streichen, bis sie endgültig ins Elend abstürzen? Auch dass die SPD endlich Paketzusteller, Fahrradkuriere und andere „Solo-Selbstständige“ in den Blick nehmen will, ist richtig.

Selbst die Idee eines gesetzlichen Anspruchs aufs „Homeoffice“ kann gerade Alleinerziehenden helfen. Ihr Hauptproblem wird die Partei mit diesem bunten Strauß an Ideen aber nicht lösen können: Wofür steht die heutige Sozialdemokratie eigentlich, welche Werte will sie vertreten?

Solidarität und Zusammenhalt wären Beispiele. Doch gerade das leben die Genossen im Moment nicht vor. Bei allem, was passiert, ständig schießt in der SPD irgendjemand quer. Vor allem die beiden Ex-Parteichefs Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel können es nicht lassen. Auch das schadet der Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratie. Genauso die ständigen Personaldebatten.

Trotz miesester Umfragewerte von bundesweit nur rund 15 Prozent stellt ständig jemand in der SPD die Frage: Wer kann Kanzler? Nun ja, wenn die Genossen so weitermachen wie bisher, dürfte die Antwort klar sein: Niemand.

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