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Enger geht's nicht. Altkanzler Schröder und sein guter Freund Wladimir Putin vor einem Fußballspiel 2018 in inniger Umarmung.

© Alexei Druzhinin/Tass-dpa

Sozialdemokraten mit Sinn für Geld: Die Genossen Geschäftsfreunde

Schröder ist überall: Auch Italiens Ex-Premier Matteo Renzi hat eine Diktatur als Geldquelle entdeckt: Saudi-Arabien. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Ein Ex-Regierungschef, der nach dem Verlust des Amts die Hand vor ausländischen Regierungen aufhält: Auch Italien hat seit kurzem einen Fall Schröder. Matteo Renzi, früher Chef des sozialdemokratischen Partito democratico (PD) und von 2014 bis 2016 Ministerpräsident, fiel zuletzt öfter in Saudi-Arabien auf als in der zweiten Parlamentskammer, wo er nach wie vor einen Wähler:innenauftrag zu vertreten hat.

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Sogar als die Seinen Amtsnachfolger Giuseppe Conte 2021 in den Rücktritt trieben, war der Chef gerade geschäftlich im Königreich unterwegs. Für seine bisher nicht im Detail bekannte Beratung, um die saudische Wüstenlandschaft mit Öko-Städten zu begrünen, soll er bereits eine gute Million Euro kassiert haben. Bekannt sind dagegen seine Hymnen auf den starken Mann der theokratischen Monarchie, Kronprinz Mohammed bin Salman.

Traumhonorare, die durch Steuervermeidung noch wachsen

Für Renzi ist MBS, der Frauenrechtlerinnen in Foltergefängnisse wirft, weil sie Auto fuhren, und internationaler Untersuchung zufolge den oppositionellen Journalisten Jamal Kashoggi in Istanbul kidnappen und ermorden ließ, „mein Freund, den ich seit Jahren kenne“. Seine Diktatur sei Ort „einer möglichen neuen Renaissance“ und sein Auftrag zum Mord gar nicht erwiesen.

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Lobpreis auf Diktatoren mit blutigen Händen („Putin ist ein lupenreiner Demokrat“) und Millionengagen für – ja, was eigentlich? Das klingt bekannt, und der Ähnlichkeiten ist noch kein Ende: Wie Schröder ist Renzi Sozialdemokrat, und wie der Ex-Kanzler scheint Renzi Wein ebenso zu schätzen, wie er dem Volk lieber Wasser einschenkte: Schröders Hartz-System schuf einen riesigen Niedriglohnsektor. Genosse Renzi, als „Verschrotter“ gerühmt, demolierte Italiens schwachbrüstigen Sozialstaat, attackierte den Kündigungsschutz und fand arme Haushalte mit einer monatlichen Steuerentlastung von 80 Euro ab.

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Auf Kritik an seiner lukrativen Nebentätigkeit – nach Euro und Petrodollar wohl eher ein Hauptjob – reagierte Renzi empört wie die verfolgte Unschuld: „Wollen wir etwa einem italienischen Ex-Premier verbieten, was ständig alle anderen Ex-Regierungschefs weltweit tun?“ Und die Frage kann man stellen. In seinem Fall geht es zwar auch um juristisch Relevantes – die Staatsanwaltschaften in Florenz und Rom ermitteln, weil seine Rechnungen ohne echte Gegenleistungen ausgestellt worden sein sollen –, aber seine Vorgänger sind zahlreich:

Gerhard Schröder, der schon als Kanzler die Gaspipeline Nord Stream 1 mit Wladimir Putin ausheckte, Ex-Premier Tony Blair, der seine Traumhonorare noch durch Steuervermeidung steigert, oder ein anderer hoher Sozialdemokrat, der für 10 000 Euro pro Monat einen ausbeuterischen Fleischkonzern beriet. Vom Koordinatensystem, das die Arbeiterparteien groß machte, ist wenig übrig.

Privatinteresse gegen Gemeinwohl

Zurück nach Italien: In Rückschau auf „Mani pulite“, die Korruptionsermittlungen, die im Februar vor 30 Jahren begannen und Italiens Erste Republik beendeten, zog Gherardo Colombo, einer der Staatsanwälte von damals, bittere Bilanz: Herrschend bleibe ein „verbreitetes kulturelles Modell“, in dem persönliches und öffentliches Interesse im Gegensatz zueinander“ stünden.

Dass so viel Prominenz mit schlechtem Beispiel vorangeht, dürfte den Erfolg des Modells garantieren. Und nicht nur Italien leidet darunter.

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