zum Hauptinhalt
Grünen-Chef Robert Habeck sagt: „Scheitern ist eigentlich keine Option.“

© Christoph Soeder/dpa

Sondierungen in heißer Phase: Scheitert die Ampel am Ende an leeren Kassen?

Die Finanzen sind ein „riesiges Problem“, sagt Grünen-Chef Habeck zur Ampel. Daher könnte es 2022 nochmal eine dreistellige Milliarden-Neuverschuldung geben.

Bisher war es bei Grünen und FDP ein wenig wie in den Flitterwochen. Wie zur Demonstration, dass sie ein Taktgeber bei der Regierungssuche sind, kommen die Grünen-Chefs Annalena Baerbock, Robert Habeck, FDP-Chef Christian Lindner und FDP-Generalsekretär Volker Wissing zusammen zur vertieften Sondierungsphase mit der SPD auf das Berliner Messegelände.

Diese Woche wird zeigen, wie belastbar eine Ampel-Koalition wäre. Noch wird das Thema öffentlich klein gehalten, aber ob die erste Ampel-Koalition im Bund kommt, wird sich vor allem an den Steuer- und Finanzfragen entscheiden. Die SPD-Riege um Olaf Scholz kam noch vor Grünen und FDP wieder als erste zu der Sondierungsrunde - denn es gibt viel vorzubereiten, um die größten Knackpunkte zu lösen.

An diesem Montag wird über zehn Stunden diskutiert, und es wird auch um das liebe Geld gehen.

Klar ist: Durch die Corona-Pandemie sind die Staatsschulden enorm gestiegen. Das macht es so schwer, die Ziele von mehr sozialer Sicherheit, sicheren Renten, dazu Milliardeninvestitionen in Klimaschutz, Industrie, Digitalisierung, Infrastruktur und den Bau von Wohnungen zu finanzieren. Auch eine Jamaika-Koalition hätte dieses Problem, daher sind hier nun kreative oder unkonventionelle Lösungen nötig.

Die roten Linien der FDP

FDP-Generalsekretär Wissing hat vor den Sondierungen an diesem Montag (9 bis 19 Uhr), Dienstag (9 bis 13 Uhr) und Freitag (eventuell 9 bis 16 Uhr) noch einmal klar gemacht, dass zwei Punkte für die Liberalen nicht verhandelbar sind: Steuererhöhungen und das Aufweichen der Schuldenbremse.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Aber bei beiden Punkten könnte es Spielräume geben. SPD und Grüne wollen mittlere und untere Einkommen zwecks mehr Gerechtigkeit entlasten und Spitzenverdiener (ab 100.000 Euro Einkommen bei Singles) etwas stärker belasten. Wenn das so ausgestaltet würde, dass der Staat in der Summe nicht mehr einnimmt, wären es unter dem Strich womöglich keine Steuererhöhungen – aber die FDP dürfte das anders sehen.

2022 wird die Schuldenbremse noch einmal ausgesetzt

Bei der Schuldenbremse ist es so: Die bisherige Bundesregierung hat einen Pro-Forma-Haushalt für 2022 beschlossen, dort wird wegen der Sonderlage im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal die Schuldenbremse ausgesetzt.

Es ist die Aufnahme von neuen Krediten in Höhe von 99,7 Milliarden Euro geplant. SPD, Grüne und FDP dürften bei dem Kurs bleiben, könnten die Neuverschuldung aber noch einmal deutlich erhöhen, um viele Investitionsausgaben in das erste Jahr zu schieben - dann könnte die Neu-Kreditaufnahme die 100-Milliarden-Euro-Grenze reißen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Aber der FDP müsste dann zugesichert werden, ab 2023 wieder zur Schuldenbremse – die noch eine geringe Neuverschuldung erlaubt – zurückzukehren. Oder aber, wie von Kanzleramtschef Helge Braun Anfang des Jahres vorgeschlagen, das Instrument vorübergehend zu lockern, also bis zu einem bestimmten Datum einen deutlich größeren Schuldenspielraum zuzulassen, die Schuldenbremse als Instrument aber zu erhalten.

Der Bund könnte Subventionen bremsen und Tafelsilber verkaufen

Grünen-Chef Robert Habeck macht aber deutlich, dass die Grünen eine staatliche Investitionsoffensive vor allem beim Klimaschutz von dauerhaft 50 Milliarden Euro im Jahr wollen. FDP-Chef Christian Lindner will zur Finanzierung von Mehrausgaben an staatliche Subventionen ran oder Beteiligungen verkaufen, etwa Telekom-Anteile. Die Lage ist schwierig, daher dürfte bald jemand gefragt sein, der einst der Architekt der einstigen „Schwarzen Null“ war: Olaf Scholz’ Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer.

Habeck: Finanzen ein "riesiges Problem"

Habeck betonte am Sonntagabend, wie wichtig das Gelingen der Verhandlungen mit der FDP sei. „Scheitern ist eigentlich keine Option“, sagte er in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Sollte wieder eine große Koalition aus SPD und Union entstehen, würde Deutschland „durchdrehen“. „Wir müssen uns schon ein bisschen zusammenreißen“, so Habeck. Die Finanzen seien natürlich ein „riesiges Problem“.

Ziel ist es, zum Ende der Woche eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dann wollen vor allem FDP und Grüne entscheiden, ob sie in Koalitionsverhandlungen mit der SPD eintreten – oder ob es möglicherweise noch eine weitere Sondierungsrunde geben muss. Grüne und FDP haben sich die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition mit der Union aber explizit offengehalten. Die Grüne Jugend erteilte einem solchen Bündnis am Wochenende aber eine klare Absage. (mit dpa)

Zur Startseite