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Ein Panzer vom Rüstungskonzern Rheinmetall, das Radfahrzeug „Boxer“.

© Rheinmetall

Exklusiv

Sondergenehmigungen für Rüstungsgüter: Opposition kritisiert heimliche Briefe an den „lieben Peter“ Altmaier

Einer mischt sich für Rheinmetall ein, ein anderer fordert eine „Sondergenehmigung“. Die Union findet alles normal, doch auch in der SPD gibt es erste Zweifel.

Oppositionsfraktionen im Bundestag kritisieren Versuche von Abgeordneten scharf, die Regierung mit persönlich gehaltenen Briefen an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zur Erlaubnis von Rüstungsexporten zu bewegen.  „Unabhängig von der Ausübung des freien Mandats darf gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass durch den persönlichen Einfluss einzelner Abgeordneter die Bundesregierung Sondergenehmigungen für Rüstungsgüter erteilt“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, dem Tagesspiegel.

AfD-Vize Brandner finden das Vorgehen inakzeptabel

AfD-Bundesvize Stephan Brandner nannte die persönliche Ansprache des Ministers in solchen Verfahren „inakzeptabel“. Abgeordnete seien als Vertreter des ganzen Volkes gewählt ist und nicht als Vertreter eines speziellen Unternehmens. „Mit der Ausübung des politischen Mandats hat die konkrete Einflussnahme auf den Minister wenig gemein“.

Auch die Linke kritisierte das Vorgehen, unabhängig davon, dass die Partei Rüstungsexporte generell ablehnt. Ein derartiger Einsatz zugunsten von Firmen habe „offen und nachvollziehbar für alle“ stattzufinden, „nicht heimlich und exklusiv“. Die FDP wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Wie berichtet, hat das Wirtschaftsministerium auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erstmals umfänglich Briefe von Abgeordneten zugänglich gemacht, die sich unter anderem für die Interessen von Rüstungsherstellern einsetzen. Altmaier ist als Mitglied des Bundessicherheitsrats mitzuständig für die Genehmigung von Exporten.

Einer der Briefe, deren Absender unkenntlich gemacht wurden und die sich häufig an den „lieben Peter“ richten, betrifft mit Rheinmetall in Düsseldorf Deutschlands größten Rüstungslieferanten. Der oder die Abgeordnete weist auf eine noch ausstehende Exportlizenz hin. Es wäre „sinnvoll“, den Export „noch einmal wohlwollend zu überprüfen“, heißt es darin. Eine „Stornierung dieser Bestellung“ könne sich nach Ansicht des Absenders „auf die zukünftigen Kaufpläne mit deutschen Unternehmen auswirken“.

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Rheinmetall hat seinen Umsatz nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zuletzt auf knapp vier Milliarden Dollar steigern können. Dennoch macht der deutschen Rüstungsindustrie zu schaffen, dass die Regierung angesichts der Menschenrechtslage in vielen Absatzländern Exporte nur zurückhaltend genehmigt. Der Düsseldorfer Konzern äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Brief aus dem Bundestag, auch das Wirtschaftsministerium erteilte zu dem Vorgang keine weiteren Auskünfte.

Staatssekretär Mayer (CDU) lässt offen, ob er der Absender ist

Ein weiterer Brief verlangt, wie berichtet, eine „Sondergenehmigung“ für eine Lieferung der bayerischen Nitrochemie in Aschau in das Empfängerland Katar. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Wahlkreis des direkt gewählten Abgeordneten Stephan Mayer (CSU), der zugleich Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium ist.

Auf Anfrage bestätigt Mayer als einer der möglichen Absender Kontakte zu der Firma, verweigert aber weiterhin Angaben dazu, ob er den Brief geschrieben hat. Der Düsseldorfer CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek, in dessen Wahlkreis Rheinmetall seinen Konzernsitz hat, erklärte, er haben den Brief an Altmaier nicht geschrieben.

Von der Mandatsfreiheit gedeckt, aber moralisch vertretbar?

Für die Union bekräftigt der Abgeordnete Patrick Schnieder die Auffassung, dass derartige Interventionen zu den Kernaufgaben von Parlamentariern zählten: „Ein Abgeordneter wird nicht zum Firmenvertreter, wenn er sich für Interessen eines Unternehmens einsetzt“.  Wenn sich die Diskussion nun darum drehe, für welche Interessen man sich einsetzen dürfe und für welche nicht, gerate die Lobbyismus-Debatte auf die schiefe Bahn. „Ein Abgeordneter ist dazu berufen, diese Frage alleine zu entscheiden.“

Für die SPD-Fraktion betonte der Abgeordnete Matthias Bartke, dass die Mandatsfreiheit weit auszulegen sei, ging aber bezüglich der Bitte um eine „Sondergenehmigung“ für den Rüstungsexport auf Distanz: „Dass dieses Schreiben von der Mandatsfreiheit abgedeckt ist, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass es moralisch vertretbar ist.“

Der Berliner Staatsrechtler Christoph Möllers von der Humboldt-Universität fordert mehr Informationen zu derartigen Vorgängen von Regierung und Abgeordneten. „Das Anliegen, solches Gebaren transparent zu machen, finde ich rechtspolitisch richtig und verfassungsrechtlich auch zulässig“, sagte der Jurist. Abgeordnete müssten frei entscheiden können, aber die Umstände ihrer Entscheidung könnten öffentlich gemacht werden.

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