zum Hauptinhalt
Ulrich Schneider, DPW-Geschäftsführer.

© promo

Soll das Neun-Euro-Ticket bleiben?: Ich bin entschieden für eine Nachfolgeregelung

Auch wenn es viel zu nörgeln gibt an dem Fast-Gratis-ÖPNV, so hat er gezeigt, wie groß die Akzeptanz dafür ist. Die Botschaft lautet: Angebot ausbauen.

Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands

Zugegeben: Das Neun-Euro-Ticket war ein Schnellschuss, ein ökologischer Wiedergutmachungsversuch für den ganz und gar nicht klimafreundlichen Tankrabatt, ein Alternativangebot an all die, die im Zweifel nicht einmal ein Auto besitzen. Zugegeben: Das Neun-Euro-Ticket war alles andere als eine kostenbewusste zielgenaue Entlastung von Haushalten, die dringend auf Entlastung angewiesen sind.

Auch leuchtet nicht ein, weshalb es die Aufgabe von Bundesregierung und Steuerzahlern sein sollte, Scharen ausländischer Touristen zu entlasten. Sehr berechtigt darf auch gefragt werden, was das schönste Neun- Euro-Ticket da bringt, wo der Bus nur zwei Mal am Tag kommt und nach 18 Uhr Schluss ist.

[Lesen Sie hier das Contra von GDL-Chef Claus Weselsky.]

Dort, wo es einen nennenswerten Personennahverkehr gibt, sind wir hineingestürzt worden in ein gigantisches über zwei Milliarden Euro teures Experiment. Wir sahen in den Nachrichten Bilder von dicht gedrängten Menschentrauben auf zu kleinen Bahnsteigen, lasen Meldungen von Zügen, die, weil völlig überfüllt, nicht abfahren konnten oder teilweise wieder geräumt werden mussten. Chaos war der Eindruck, den diese Nachrichten vermittelten.

30 Millionen Tickets - das spricht für sich

Allen Grund also darf man haben, skeptisch zu sein kurz vor Ablauf dieses Experiments, an dem immerhin 30 Millionen Menschen teilnahmen. So viele Tickets wurden verkauft. Und dennoch. Eines ist völlig unbestreitbar: Die Menschen lieben es ganz offensichtlich, den Zug zu benutzen, Ausflüge zu machen – so wie ich es beobachtete vor allem in Gruppen, seien es älteren Herrschaften oder Jüngere.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Selbst gelegentlich völlig unzumutbare Bedingungen wie defekte Toiletten, ausgefallene Klimaanlagen und völlige Überfüllung der Züge vermochten dem keinen Abbruch zu tun. Das politische Signal kann nicht übersehen werden: Die Menschen mögen Zugfahren. Es muss nur erschwinglich sein.

Sicher war es Gießkannenpolitik, die da praktiziert wurde. Aber ich freue mich für eine jede Familie, jeden Jugendlichen und jeden Rentner und jede Rentnerin, die sich endlich mal einen Ausflug an die See oder in die Berge leisten konnten. Millionen von Menschen in Altersgrundsicherung, in Hartz IV oder mit Niedrigverdiensten ist dies normalerweise verwehrt. Und es wird ihnen nach Auslaufen dieses Ticketangebots auch wieder verwehrt sein.

Mehr als ein symbolischer Preis wäre gut

Ja, ich bin entschieden für eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket. Die Preise im ÖPNV müssen bezahlbar sein und dürfen niemanden überfordern. Sie sollten aber auch mehr darstellen als eine symbolische Zahlung. Das Konzept des 365-Euro-Tickets, das auf 30 statt neun Euro im Monat hinausläuft ist, liegt seit langem auf dem Tisch und ist ein brauchbarer Vorschlag.

Er muss ergänzt werden um Familien- und Sozialtarife und Gratisfahrten für all die, für die auch 30 Euro nicht aufzubringen in der Lage sind, weil sie von kleingerechneten Sozialtransfers leben müssen. Er muss politisch flankiert werden durch den massiven Ausbau des ÖPNV innerstädtisch und vor allem auf dem Lande. Dann hätte das Neun-Euro-Ticket wirklich etwas bewegt.

Ulrich Schneider

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false