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Daumen runter für Donald Trump? Die Facebook-Zentrale im kalifornischen Menlo Park.

© Josh Edelson / AFP

Social-Media-Sperren: Rote Karte für schwarze Schafe?

Facebook entscheidet über die Sperrung von Donald Trump. Worauf soll man hoffen? Ein Kommentar.

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ging zu Gunsten des früheren US-Präsidenten aus. Trotzdem wird nun das „Oberste Gericht“ über sein Schicksal entscheiden. Nicht der Supreme Court, sondern das von Facebook. Das sogenannte Oversight Board ist ein unabhängiges Kontrollgremium, das in strittigen Fällen darüber entscheiden soll, ob Facebook Inhalte oder Konten zu Recht gelöscht beziehungsweise gesperrt hat.

Die Entscheidungen des 19-köpfigen Gremiums, dem unter anderem die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman, die ehemalige dänische Premierministerin Helle Thorning-Schmidt, Aktivist*innen, Jurist*innen und andere Expert*innen angehören, sollen für Facebook verbindlich sein.

Vor wenigen Wochen gab das Oversight Board seine ersten Entscheidungen bekannt: In vier von fünf Fällen entschied es sich gegen die Löschaktionen. Dabei ging es unter anderem um Falschinformationen zu Covid-19-Hilfsmitteln, ein angebliches Goebbels-Zitat und ein Post zur Brustkrebsvorsorge, bei dem eine Brustwarze zu sehen ist. Nun soll die Kontrollaufsicht entscheiden, ob Facebook Donald Trump weiterhin digitales Hausverbot erteilen darf.

Das soziale Netzwerk sperrte die Konten nach dem Sturm aufs Kapitol, den Trump mit seinen Aussagen und Aufforderungen in den sozialen Medien angetrieben hatte. Auch andere Plattformen wie Twitter schlossen ihn daraufhin aus. Twitter-Chef Jack Dorsey nannte die Nutzersperre daraufhin ein „Versagen unsererseits, einen gesunden Meinungsaustausch zu fördern".

Das Geschäftsmodell begünstigt den Hass

Genau hier liegt das Problem, welches auch ein unabhängiges Kontrollgremium nicht lösen kann: das Geschäftsmodell von Facebook begünstigt den Hass, den man später wieder zu bannen versucht, gesunder Meinungsaustausch ist so fast unmöglich. Dass man die jahrelangen Lügentiraden als Meinungsfreiheit akzeptierte, weil sich daraus Profit schlagen ließ, offenbart das wahre Wesen der Techgiganten.

In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ schreiben Jameel Jaffer und Katy Glenn Bass vom „Knight First Amendment Institute“, das Oversight Board riskiere als Feigenblatt für Facebooks Versagen herhalten zu müssen. Statt rein über Trumps Fall zu entscheiden, solle das Gremium seine Macht dazu nutzen, die Grundstruktur und Ausrichtung der Plattform zu hinterfragen und zu kritisieren.

Die Entscheidung, die in den nächsten Wochen fallen soll, wird wohl die Diskussion anstacheln, wie Facebook zukünftig mit den Profilen von rechtspopulistischen Politiker*innen und Parteien umgehen soll. Kann man Trump sperren, der AfD oder Bolsonaro aber weiterhin eine Plattform geben? Wieviel Scharfmacherei will man akzeptieren? Und was bringt ein Verbot, wenn andere Kanäle wie Telegram, Gab oder Parler größtenteils unregulierte Echokammern des Hasses bieten?

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Wie eine Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft zum Thema „Deplatforming“ – also Entzug der Plattform – konstatierte, bricht die „Inszenierung der extremen Rechten zusammen, eine normale politische Kraft zu sein, wenn man nicht mehr im digitalen Mainstream erscheint“. Ein Ausweichen auf alternative Kanäle könne die Löschung aus dem Mainstream nicht ausgleichen. Trumps permanente Sperrung wäre somit zwar keine Wiedergutmachung, es wäre aber vielleicht ein Zeichen mit Signalwirkung für andere.

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