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„So widerwärtig, so ekelhaft“: Anne Frank, die Pizza und Wagenknechts Angriff auf AfD-Chef Chrupalla

Eine rechte Facebook-Gruppe sorgte 2017 mit der Verunglimpfung von Anne Frank für Empörung. Wagenknecht erhebt schwere Vorwürfe gegen AfD-Abgeordnete.

Von Thomas Sabin


Sahra Wagenknecht kocht vor Empörung und redet sich in der Talkshow von Anne Will in Rage. Neben ihr: Tino Chrupalla, Spitzenkandidat und Bundessprecher der AfD. Die Bundestagsabgeordnete der Linken erhebt schwere Vorwürfe gegen die AfD. Chrupalla, leicht lächelnd und starren Blickes, ohne eine Miene zu verziehen.

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„Das finde ich so widerwärtig. Das finde ich so ekelhaft“, sagte Wagenknecht in Richtung AfD-Mann. Was sie meint, erklärte sie zuvor detailliert. „Ich finde auch zu Sachsen-Anhalt muss man schon deutlich sagen, das ist nun wirklich ein Landesverband, wo in extremer Weise die Neonazi-Szene präsent ist“, begann die Linken-Politikerin.

„Ihr Spitzenkandidat hat sich in einer Facebook-Gruppe wohl gefühlt, die es witzig fand, das Bild des von den Nazis ermordeten Mädchens Anne Frank auf eine Pizzaschachtel zu montieren und darunter zu schreiben: ofenfrisch“, so Wagenknecht.

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

© imago images/Jürgen Heinrich

Die Facebook-Gruppe, die sie meint, nannte sich „Die Patrioten“. Im November 2017 postete ein Mitglied in der geschlossenen Gruppe die von Wagenknecht beschriebene Montage: Das Bild Anne Franks auf einer Pizzaschachtel, versehen mit der Aufschrift: „Die Ofenfrische, locker und knusprig zugleich“ und „Neu, feurig scharf“.

Das niederländisch-deutsche jüdische Mädchen, dessen Tagebuch weltberühmt wurde, überlebte den Holocaust nicht und starb mit 15 Jahren 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Auch AfD-Abgeordnete in der Facebook-Gruppe

In der Gruppe tummelten sich auch einige AfD-Abgeordnete. Neben NPD-Leuten, anderen Neonazis, Rassisten und Fremdenhassern haben sich dort fast 50 Mandatsträger der AfD vernetzt, 15 von ihnen kamen aus dem Bundestag, 33 aus den Landtagen. Eine erste Übersicht dazu veröffentlichte 2017 der Blogger Frank Stollberg auf Facebook.

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Der Tagesspiegel berichtete im selben Jahr, dass mindestens 14 dieser Abgeordneten aus Bundestag und Landtagen in der Gruppe eigene Beiträge gepostet oder Beiträge anderer Nutzer kommentiert hatten. Das betraf etwa die Bundestagsabgeordneten Jens Maier aus Sachsen, Enrico Komning aus Mecklenburg-Vorpommern und Volker Münz aus Baden-Württemberg.

Sieben Tage nach dem Bekanntwerden der Anne-Frank-Montage fanden sich noch immer zehn Benutzerkonten, die zu AfD-Bundestagsabgeordneten gehörten, und 16 weitere, die Abgeordneten aus den Landtagen zugeordnet werden konnten, in der Gruppe. AfD-Sprecher Christian Lüth versicherte damals, die Gruppe „Die Patrioten“ spiele „keinerlei Rolle für die Meinungsbildung innerhalb der Partei“. Viele der Mandatsträger würden nicht einmal wissen, dass sie dazu gehörten oder seien unbewusst und daher auch inaktiv dort Mitglied, einige seien bereits wieder ausgetreten, so Lüth 2017.

AfD-Politiker nach eigenen Angaben unwissentlich Mitglieder der Gruppe

Der ehemalige sachsen-anhaltinische AfD-Landeschef André Poggenburg, 2017 selbst Mitglied der Gruppe, sagte damals, die Gruppe spiele für die parlamentarische Arbeit oder die innerfraktionelle Meinungsbildung keinerlei Rolle. „Es ist ein grundsätzliches Problem bei Facebook, dass jeder zu solchen Gruppen einfach hinzugefügt werden kann, ohne dass man dieses bestätigen müsste.“ Auch ihm sei es so ergangen.

[Mehr zum Thema: Die Radikalen von nebenan – warum so viele in Sachsen-Anhalt die AfD wählen (T+)]. 

Das Anne-Frank-Posting nennt er 2017 „unannehmbar“ und „nicht akzeptabel“. Zum Tagesspiegel sagte Poggenburg: „Wenn solcherlei Postings, selbst wenn es nur vereinzelt der Fall sein sollte, in einer Facebook-Gruppe auftauchen, finden diese selbstverständlich nicht die Zustimmung der AfD. Deshalb werde ich den Abgeordneten in meiner Fraktion auch nahelegen, diese Gruppe ebenfalls zu verlassen, sofern sie dieser auch hinzugefügt wurden.“

Auch der Berliner Landeschef der AfD, Georg Pazderski, sagte der „Berliner Morgenpost“, auch er sei ohne sein Wissen hinzugefügt worden. Das entspreche nicht seiner politischen Richtung. „Ich halte solche Gruppen für überflüssig.“

AfD-Spitzenkandidat Oliver Kirchner war ebenfalls Mitglied bei „Die Patrioten“

Der Spitzenkandidat, auf den Wagenknecht bei "Anne Will" Bezug nimmt, als sie die rechtsradikalen Umtriebe der Partei anprangert, ist Oliver Kirchner, ebenfalls Gruppen-Mitglied bei „Die Patrioten“. „Wenn sie mit solchen Leuten antreten, dann können sie hier sich nicht hersetzen und so tun als seien Sie hier die große bürgerliche konservative Opposition. Das sind Sie nicht“, sagte sie.

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Kirchner selbst habe eigenen Angaben nach nichts von den menschenverachtenden Posts gewusst. Der „Mitteldeutschen Zeitung“ sagte er, er sei lediglich Mitglied in den Gruppen gewesen, um seine Reden zu teilen und so eine „gewisse Öffentlichkeit“ zu erreichen.

„Sie machen das ganz bewusst, dass sie sich davon nicht distanzieren, weil Sie eben dieses Milieu auch haben wollen und ansprechen wollen“, warf Wagenknecht Chrupalla vor. Der erwiderte nichts.

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