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Bundeskanzler Olaf Scholz legt seinen Amtseid ab. Er verzichtet auf den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“.

© Sean Gallup/Getty Images

„So wahr mir Gott helfe“ war einmal: Das Kabinett der Konfessionslosen – was folgt daraus?

Olaf Scholz ist der erste konfessionslose Kanzler. Im Kabinett stellen Konfessionslose mehr Minister denn je. Das muss nichts heißen, kann aber. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Ist das wirklich wichtig? Olaf Scholz ist der erste konfessionslose Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Auf die religiöse Beteuerung „so wahr mir Gott helfe“ hat er bei seinem Amtseid verzichtet. Vor ihm hatte das nur Gerhard Schröder getan.

Im neuen Ampel-Kabinett stellen Konfessionslose so viele Minister wie nie zuvor. Ohne offizielle Kirchenbindung sind neben Scholz auch Christian Lindner (Finanzen), Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz), Karl Lauterbach (Gesundheit), Svenja Schulze (Entwicklung), Anne Spiegel (Familie) und Steffi Lemke (Umwelt). Mit Cem Özdemir (Landwirtschaft) ist auch ein „säkularer Muslim“ vertreten. So bezeichnet er sich selbst.

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Was folgt daraus? Zunächst wenig. Dass der gesellschaftliche Wandel die oberste Politik erreicht, überrascht nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten mehr als 90 Prozent der Deutschen einer christlichen Konfessionsgemeinschaft an.

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Lange Zeit wurde strikt auf einen Proporz von Katholiken und Protestanten im Kabinett geachtet. Heute sind noch rund 56 Prozent der Deutschen in der Kirche, beim Proporz wird vor allem an das Verhältnis von Frauen und Männern gedacht. Oder an Ost- und Westländer. Wer Diversität einfordert, hat in der Regel nichts Geistliches im Sinn.

Religion sei Privatsache, heißt es oft, woran jemand glaube – ob an Gott oder ein fliegendes Spaghettimonster –, gehe die Öffentlichkeit nichts an. Andererseits beziehen sich immer mehr Deutsche positiv auf Prägungen durch das Christentum und christliche Werte. Religion stiftet offenbar immer noch Identität und ermöglicht kulturelle Selbstbehauptung. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das Deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben“: So steht es in dessen Präambel.

„Solidarität“ sagen die einen, „christliche Nächstenliebe“ die anderen

Olaf Scholz ist getauft und konfirmiert. Vor einigen Jahren trat er aus der Kirche aus. Über die Gründe ist nichts bekannt. Auch Scholz betont, wie stark er von Glaube und Kirche geprägt worden sei. Sein Wertegerüst, seinen Kompass, beziehe er aus seinen protestantischen Wurzeln. Tief verankert sei bei ihm das christliche Arbeitsethos. Ob einer „Solidarität“ sage oder „christliche Nächstenliebe“, das mache für ihn keinen Unterschied.

Im Ampel-Koalitionsvertrag tauchen Begriffe wie „Gott“ oder „Glaube“ nicht auf. Außerdem dürften einige der darin vereinbarten Vorhaben in einer großen Koalition mit CDU/CSU kaum konsensfähig gewesen sein. Dazu zählen die Streichung des Paragraphen 219a, der die Information über Schwangerschaftsabbrüche erschwert, die Erleichterung reproduktiver Medizin, die Abschaffung des Transsexuellengesetzes.

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Zwei Themen sind für manch ein Kirchenmitglied besonders brisant. So soll, erstens, ein „fairer Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ geschaffen werden. Das sind Zahlungen des Staates an die Kirchen in Höhe von jährlich rund 500 Millionen Euro als Kompensation für Enteignungen kirchlicher Besitztümer im 19. Jahrhundert. Sollte diese Regelung auslaufen, hätten die Kirchen schlicht weniger Geld zur Verfügung.

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“

Zweitens soll das Privileg des kirchlichen Arbeitsrechtes fallen. „Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann.“ Bisher galt, dass von kirchlichen Mitarbeitern erwartet werden durfte, mit christlichen Glaubens- und Moralvorstellungen übereinzustimmen. Ein Verstoß gegen diese Loyalitätspflichten konnte arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, bis hin zur Kündigung.

Im TV-Duell des vorletzten Bundestagswahlkampfes, an einem Sonntag im September 2017, saßen Angela Merkel und Martin Schulz. Es ging Schlag auf Schlag. Dann war Sandra Maischberger an der Reihe und wollte von den Kontrahenten wissen, ob sie in der Kirche gewesen waren. Kanzlerin und Herausforderer drucksten herum.

„Ich war heute nicht in der Kirche“, antwortete Merkel. Es wirkte, als fühle sie sich bei einem Versäumnis ertappt und müsse sich dafür entschuldigen. Schulz sagte, er habe auf einem Friedhof das Grab eines Freundes besucht. Der Moment erinnerte an die Gretchenfrage: „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“ Im „Faust“ geht es dann so weiter: „Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“

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