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Memoiren werden massenweise geschrieben - und sind selten interessant.

© Frank Rumpenhorst/dpa

So trocken wie vergessener Keks: Es muss nicht jeder Memoiren schreiben!

Bücher bekannter Persönlichkeiten sind selten spannend - und trotzdem werden sie wie am Fließband produziert. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Neulich hatte ich eine frühere Schulfreundin zum Abendessen eingeladen. Wir waren noch beim Aperitif, da fragte sie: Und, hast du die Autobiographie meines Mannes gelesen? Zum Glück hatte ich mit der Frage gerechnet und das Buch des Chefs eines großen französischen Unternehmens gut sichtbar auf dem Couchtisch drapiert. Das war noch mal gut gegangen! Denn das Problem mit diesen Büchern bekannter Persönlichkeiten ist: Man hat selten Lust, sie zu lesen.

Das Phänomen kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Julius Cäsar, dem sein eigener Ruhm sehr am Herzen lag, sorgte dafür, dass dieser ihn überlebte, indem er seine Feldzüge in acht Büchern verewigte. Es scheint, als könnte heute keiner mehr im Rampenlicht stehen, ohne seinem Beispiel zu folgen. Nur dass eben nicht jeder das Zeug zu einem Julius Cäsar hat.

Hier nur einige Beispiele, die ich in letzter Zeit in den Händen hielt: „Ehrlichkeit ist eine Währung“ von Theo Waigel, „Sagen, was Sache ist“ von Wolfgang Kubicki oder auch „Zeiten der Macht. Hinter den Kulissen internationaler Politik“ von Bruno Le Maire, unserem Minister für Wirtschaft und Finanzen.

Die Buchtitel sind so trocken wie ein vergessener Keks

All diese Buchtitel sind so trocken wie ein seit Jahren am Grunde einer Blechdose vergessener Keks. Nur zu gerne wäre ich Mäuschen in Redaktionen mit so prickelnden Ideen. Und ausnahmsweise erlaube ich mir, Christian Lindner mit Dreitagebart im Gegenlicht in Schwarz-Weiß auf dem Buchcover von „Schattenjahre“ mit Robert Habeck, ebenfalls Dreitagebart und in Schwarz-Weiß auf dem Cover von „Wer wir sein könnten“, in einem Atemzug zu nennen.

Die goldene Palme verdient Gregor Gysi

Die goldene Palme in der Kategorie „Wie errichte ich mir ein Mausoleum“ verdient jedoch Gregor Gysi mit „Ein Leben ist zu wenig“. Bedenkt man die Zahl seiner Talkshow-Auftritte in den letzten Jahrzehnten, kann man sich seinen nicht enden wollenden Wortschwall nur zu gut vorzustellen. Wer kann den Mann bitte zum Schweigen bringen? Doch auch längst vergessene Stars lassen sich, was Autobiografien angeht, nicht lumpen. „Passions“, „Leidenschaften“, heißt die Biographie von Nicolas Sarkozy, der schon wieder an die Tür des Elyseepalastes klopft. Und auch Christian Wulff taucht aus der Versenkung auf mit „Ganz oben ganz unten“ (Danke, liebes Redaktionsteam!), was an einen außer Rand und Band geratenen Aufzug denken lässt.

Bücher von Präsidenten, die nicht mehr im Amt sind verkaufen sich wie warme Semmeln

Doch die Herren können beruhigt sein. Bücher von Präsidenten, die nicht mehr im Amt sind, verkaufen sich wie warme Semmeln. Jacques Chiracs Memoiren haben reißenden Absatz gefunden, und sogar die Verkaufszahlen des Buches von François Hollande waren mehr als ansehnlich. Es kommt vor, dass bekannte Persönlichkeiten tatsächlich schreiben können. Schon bevor er 1981 zum Präsidenten gewählt wurde, veröffentlichte François Mitterrand seine „Gesammelten Werke“ – und ich träume davon, eines Tages Winston Churchills Memoiren zu lesen, genau wie die von Vaclav Havel. Und warum nicht die von De Gaulle, wenn es mir gelingt, seine schwülstige Sprache zu ignorieren?

Neulich fragte ich auf einer kleinen Feier einen schon betagten Politiker, was er in seinem Ruhestand zu tun gedenke. „Meine Memoiren schreiben“, antwortete er. Ich musste an Bernard Pivot denken, den französischen Marcel Reich-Ranicki, der treffend feststellte: „Buchhandlungen nehmen in den Köpfen der Politiker keinen Platz weg. Die Köpfe der Politiker in den Buchhandlungen aber schon.

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