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Angela Merkel (CDU) und Michael Müller (SPD).

© Jesco Denzel/Bundesregierung /dpa

Update

„So durchlässig wie ein Schweizer Käse“: Ministerpräsidenten ärgert fehlende Vertraulichkeit bei Corona-Gipfeln

Nach dem Chaos bei der Bund-Länder-Runde fordern einige Politiker Änderungen. Ein Problem: Beschlussentwürfe landeten sofort in den Medien.

Nach dem jüngsten Corona-Gipfel, der bis spät in die Nacht dauerte, und der zurückgezogenen Osterruhe haben die Ministerpräsident:innen der Länder und andere Parteipolitiker begonnen, Verbesserungsvorschläge für künftige Beratungen zu machen. Vielfach wird nun kritisiert, dass Beschlussvorlagen und Äußerungen aus den Sitzungen an die Presse gelangen.

Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke): „Wäre das Thema vorher auf einen Zettel geschrieben worden, wäre es schon vorher durchgestochen und zerredet worden. So hat es auf keinem Zettel gestanden und wurde deshalb nicht ausreichend geprüft. Damit hatten wir zum ersten Mal die Situation, dass wir etwas Ungeprüftes beschlossen haben, das sich als juristisch nicht haltbar herausstellte. Hätten wir eine andere Arbeitsweise, dass wir alles von den Staatskanzleichefs prüfen lassen, wäre das nicht passiert.“

Hessens Staatskanzleichef Axel Wintermeyer von der CDU beklagte in der FAS, dass die Sitzungen heute „so durchlässig wie ein Schweizer Käse“ seien. „Alle Vorpapiere und Vorüberlegungen werden fast zeitgleich in bestimmten Medien veröffentlicht. Das trägt dazu bei, dass vorher keine konkreten Papiere auf den Tisch gelegt werden.“

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Dass so viel Internes an die Öffentlichkeit dringe, liegt nach Ansicht von Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, auch daran, dass die Beratungen nicht mehr vor Ort, sondern per Video stattfinden.

„Vor Corona saßen wir bei einer Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin in einem Raum, ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da ist selten was nach außen gedrungen. Heute tagen wir virtuell und wissen gar nicht ganz genau, wer dabei ist und mithört. Im Ergebnis kann man gar nicht mehr offen sprechen, weil zu vieles sofort in den Medien landet.“ Die SPD-Politikerin fordert daher einen Kodex zur Vertraulichkeit.

61 Personen sollen beim Gipfel zugeschaltet gewesen sein

Sowohl Ramelow als auch Wintermeyer äußerten in der FAS den Verdacht, dass sowohl Journalisten sowohl Töne als auch Videobilder zugespielt bekämen. Ramelow beklagt daher: „Man wirft uns vor, wir hätten nicht ruhig gearbeitet. Aber man sorgt dafür, dass wir nicht ruhig arbeiten können.“ Laut Ramelow seien beim Gipfel am Montag 61 Personen zugeschaltet gewesen.

Im Gespräch mit der „Welt“ fordert Ramelow daher Änderungen bei der Bund-Länder-Runde. „Erstens: Anwesenheitspflicht: Alle kommen ins Kanzleramt. Zweitens: Die Konferenz muss so vorbereitet sein, dass es in der Konferenz nur noch um zwei bis drei juristisch geprüfte Alternativen geht“, forderte Ramelow im Gespräch mit der „Welt“ vom Samstag.

Das Debakel um die kurz nach ihrer Ankündigung gekippte Osterruhe führte Ramelow auch darauf zurück, dass bei den nächtlichen Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länderchefs die damit zusammenhängenden rechtlichen Fragen nicht hätten geklärt werden können.

Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen
Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen

© dpa/Martin Schutt

„Solche Konferenzen können wir in dieser Form nicht wiederholen“, sagte der Linkspolitiker auch im „Spiegel-Spitzengespräch“. Von der Osterruhe habe er in der Konferenz erst spät nachts erfahren, sagte Ramelow. Davor habe es nicht mal eine Andeutung gegeben, obwohl es „offensichtlich über Stunden hinweg bereits Verhandlungen gegeben“ habe.

Dass die Osterruhe nicht umsetzbar war, bedauert Ramelow. Die Maßnahme hätte das überdynamische Ansteigen der Infektionen unterbrechen sollen, sagte er dem „Spiegel“. An diesem Anstieg habe sich bis jetzt nichts geändert. Aus Ramelows Sicht hätten Merkel und die Länder-Regierungschefs ihre Verhandlungen unterbrechen und die Osterruhe am nächsten Tag sauber vorbereiten und juristisch aufarbeiten müssen.

[Chaos um die Osterruhe: Abonnenten von T+ lesen hier eine Rekonstruktion des Tages, der Merkel verändern wird.]

Merkel und die Länderchefs hatten am Mittwochvormittag in einer kurzfristig anberaumten Videoschalte vereinbart, den erst in der Nacht zu Dienstag gefassten Beschluss zu einer Osterruhe in der Corona-Pandemie wieder zurückzunehmen. Die Spitzen von Bund und Ländern hatten bei der Beschlussfassung offenbar die rechtlichen Hürden unterschätzt. Merkel erklärte am Mittwoch, dies sei „einzig und allein“ ihr Fehler gewesen, und sie bitte die Bürger für die zusätzliche Verunsicherung um Verzeihung. (Tsp/AFP)

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