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Der slowenische Regierungschef Janez Jansa übernimmt am 1. Juli den rotierenden EU-Vorsitz.

© Jure Makovec/AFP

Slowenien übernimmt EU-Vorsitz: Ein Rechtspopulist am Ruder

Sloweniens Regierungschef Janez Jansa übernimmt für sechs Monate den EU-Vorsitz. Der Gemeinschaft droht damit Stillstand beim Streit um die Rechtsstaatlichkeit.

Wenn Slowenien an diesem Donnerstag turnusgemäß für die kommenden sechs Monate den Vorsitz in der EU übernimmt, dann kann sich die Gemeinschaft auf ein turbulentes Halbjahr einstellen. Sloweniens Regierungschef Janez Jansa, der von Kritikern als „Mini-Trump“ bezeichnet wird, könnte die EU vor allem bei der Diskussion um die Rechtsstaatlichkeit in eine Sackgasse führen, lautet die Befürchtung in Brüssel.

Wo Jansa politisch steht, zeigte sich im vergangenen November nach den US-Präsidentschaftswahl. Einen Tag nach der Wahl, als die Auszählung immer noch in vollem Gange war, gratulierte Sloweniens Ministerpräsident bereits dem damaligen Amtsinhaber Donald Trump voreilig zur Wiederwahl.  Es sei „ziemlich klar, dass das amerikanische Volk Donald Trump und (Vize-Präsident) Mike Pence für weitere vier Jahre gewählt hat“, twitterte Jansa seinerzeit.

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Mitte Juni besuchte eine Delegation von Grünen-Abgeordneten unmittelbar vor dem slowenischen EU-Vorsitz die frühere jugoslawische Teilrepublik, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Hinterher war der EU-Abgeordnete Sergey Lagodinsky ernüchtert. Es werde wohl im kommenden Halbjahr in der EU nur wenig Fortschritte bei Themen wie der Rechtsstaatlichkeit und der Migration geben, befürchtet Lagodinsky.

Zu denken gab dem EU-Parlamentarier vor allem ein längeres Gespräch mit dem Vize-Minister für Europa, Gasper Dovzan. Der Gastgeber in Ljubljana ließ bei dem Treffen durchblicken, dass er keineswegs von der Universalität rechtsstaatlicher Prinzipien überzeugt ist. Wie rechtsstaatliche Prinzipien angewandt würden, sei doch von Land zu Land sehr unterschiedlich, meinte er.

Jansa blockiert bei der Europäischen Staatsanwaltschaft

Wie die Regierung in Ljubljana der supranationalen Durchsetzung des Rechts in der EU gegenübersteht, zeigte sich in den vergangenen Wochen beim Start der Europäischen Staatsanwaltschaft, die Anfang Juni ihre Arbeit aufnahm. Die neue Behörde soll Delikte wie den unsachgemäßen Umgang mit EU-Subventionen und grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug ahnden. Allerdings bremst Jansa bei der Nominierung der slowenischen Staatsanwälte; die Kandidaten, die zunächst im Gespräch waren, waren ihm offenbar nicht gefügig genug.

Nach dem jüngst veröffentlichten „Global Corruption Barometer“ der Organisation „Transparency International“ ist das Misstrauen der Bürger gegenüber der Regierung in Slowenien besonders groß. Unter den 40.000 Europäern, die 2020 für die Studie befragt wurden, äußerten in Slowenien 51 Prozent die Ansicht, dass die Korruption in ihrem Land im vergangenen Jahr zugenommen habe. Nur in Zypern war der Anteil höher: Auf der Mittelmeerinsel zeigten sich 65 Prozent überzeugt, dass die Korruption in der Regierung ein Problem darstelle.  

Die relativierende Haltung der Regierung in Ljubljana zur Frage der Rechtsstaatlichkeit könnte sich gerade im kommenden Halbjahr als fatal erweisen. Denn in den kommenden Monaten werden der Streit um den so genannten Rechtsstaatsmechanismus und mögliche Subventionskürzungen für Länder wie Ungarn und Polen weit oben auf der Agenda der Gemeinschaft stehen. Das EU-Parlament verlangt von der Kommission in Brüssel, den neuen Mechanismus möglichst schnell anzuwenden.

Millionen aus Ungarn für regierungstreuen TV-Sender

Dass Jansas Regierung in Ljubljana die Frage der Rechtsstaatlichkeit so zurückhaltend angeht, verwundert nicht. Den Rechtspopulisten Jansa und den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán verbindet eine politische Freundschaft. Zudem flossen aus Ungarn Millionensummen in den regierungstreuen slowenischen Sender „Nova 24 TV“. Und als es beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche Kritik an Orbáns Homosexualitäts-Gesetz hagelte, sprang Jansa dem ungarischen Regierungschef bei.

Trotz derartiger Verbindungen glaubt Lagodinsky nicht, dass die Gewaltenteilung in Slowenien schon gleichermaßen in Gefahr ist wie in Ungarn und Polen. „Einen Umbau des Rechtsstaats wie in Polen und Ungarn hat es dort noch nicht gegeben“, sagt er. Auch die Medienvielfalt sei immer noch größer als in Ungarn - selbst wenn Jansa versuche, die staatliche Nachrichtenagentur STA finanziell auszubluten.  

Außerdem sitzt Jansa weniger fest im Sattel als sein ungarischer Amtskollege. Die liberalen Parteien, die Jansas Minderheitskabinett stützen, verlieren wegen der Regierungsbeteiligung zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung. Beobachter schließen daher einen Sturz des Regierungschefs mitten in der slowenischen EU-Präsidentschaft nicht aus. In jedem Fall zeichnet sich in den Umfragen ab, dass Jansas „Slowenische Demokratische Partei“ bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr einen schweren Stand haben dürfte.

Wachsende Unruhe in Brüssel

Angesichts der fragilen innenpolitischen Situation in Slowenien steigt die Unruhe in Brüssel. Vom kommenden slowenischen EU-Vorsitz wird unter anderem die Ausarbeitung einer gemeinsamen Linie unter den EU-Staaten beim Klimaschutz erwartet. Mitte Juli stellt die EU-Kommission ihr Klimapaket „Fit for 55“ vor, mit dem die EU-Staaten bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent senken wollen. Anschließend müssen sämtliche Mitgliedstaaten überzeugt werden, einen angemessenen Beitrag zu leisten.

Beim „Fit for 55“-Paket sind zähe Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten zu erwarten. Polen beansprucht beispielsweise, möglichst viele Lasten abgenommen zu bekommen. Angesichts der komplexen Verhandlungen kommt dem slowenischen Vorsitz im Rat der Mitgliedstaaten eine entscheidende Bedeutung zu.

In einer Grußbotschaft zum Start des slowenischen EU-Vorsitzes erklärte Jansa, dass zu seinen Prioritäten die Gestaltung eines „widerstandsfähigen und strategisch autonomen Europas“ gehöre. Die EU müsse gegen künftige Pandemien und Cyber-Attacken gewappnet sein, erklärte der Regierungschef, der für die halbjährige Präsidentschaft das Motto „Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa“ ausgegeben hat.

Frankreichs Staatschef Emanuel Macron führt ab Anfang 2022 die EU-Geschäfte.
Frankreichs Staatschef Emanuel Macron führt ab Anfang 2022 die EU-Geschäfte.

© Gonzalo Fuentes/REUTERS

Dennoch gibt es in Brüssel offenbar nur ein geringes Zutrauen in den kommenden slowenischen Vorsitz. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bereits, dass Frankreich, das den Vorsitz ab 1. Januar 2022 übernimmt, Slowenien schon jetzt faktisch das Heft des Handelns aus der Hand nehme. Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier hält das für plausibel: Es sei schon jetzt erkennbar, dass die slowenische Präsidentschaft „keine eigenen Initiativen entwickelt, die nicht mit Frankreich abgestimmt sind“.

Macron kann kein Chaos während des slowenischen Vorsitzes gebrauchen

Tatsächlich hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron überhaupt kein Interesse daran, dass die EU in den nächsten Monaten wie ein Chaos-Club erscheint, weil der Regierungschef in Ljubljana sich angesichts der knappen Parlamentsmehrheit seiner Regierungskoalition nur am Rande um die Europa-Geschäfte kümmern kann. Wenn Frankreich zur kommenden Jahreswende den Stab von Slowenien übernimmt, soll die EU nach dem Wunsch Macrons schon einen Schritt weiter sein – nicht nur bei der Pandemiebekämpfung, sondern auch in der Klimapolitik.

Macron will sich im ersten Halbjahr 2022 als europapolitischer Macher präsentieren. Zeitgleich finden die Präsidentschaftswahlen in seinem Land statt, die sich für den Staatschef – wie sich bei den zurückliegenden Regionalwahlen gezeigt hat – keineswegs als Selbstläufer entwickeln dürften. Wie schon bei der letzten Präsidentschaftswahl 2017 möchte Macron sich gegenüber der politischen Konkurrenz als überzeugter Pro-Europäer profilieren. „Macron wäre nicht Macron“, sagt der SPD-Abgeordnete Geier, „wenn er den EU-Vorsitz nicht für sich nutzen würde“.

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